RUSSLAND muss Genugtuung an LGBTI+ Aktivist*innen bezahlen
Mehr als sieben Jahre hat es schlussendlich gedauert, bis die LGBTI+ Aktivist*innen Genugtuung erfuhren und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einen Sieg erreichten. Der Fall geschah nämlich bereits am 6. Juni 2013. Damals demonstrierten die Aktivist*innen vor der Duma, dem russischen Parlament in Moskau, gegen die Einführung des Anti-Gay-Propagandagesetz. Darauf wurden sie von religiösen, konservativen Gruppierungen massiv angegriffen und mit Eiern beworfen. Die Polizei, welche darauf in Kampfausrüstung erschien, stellte sich nicht etwa schützend vor die friedlich demonstrierenden LGBTI+ Aktivist*innen, sondern kesselte diese ein, verfrachtete sie in einen bereitstehenden Bus und brachte sie kurzerhand auf einen Polizeiposten.
Während die LGBTI+ Aktivist*innen verhaftet und wegen Ordnungswidrigkeit gebüsst wurden, so blieben die religiösen Gegendemonstranten trotz ihrer Gewaltanwendung unbehelligt. Sie wurden laut Angaben der Aktivist*innen nicht mal kontrolliert. Die Behörden erklärten zwar später, dass die Verhaftungen nicht aufgrund der sexuellen Orientierung der Demonstranten geschah, doch die Aktivist*innen wollten dies trotzdem nicht auf sich sitzen lassen und reichten Beschwerde gegen die übertriebenen und ungerechtfertigten Massnahmen der Polizei ein. Nun haben die Richter des Gerichtshof für Menschenrechte ihre Klage gutgeheissen und Russland zur Zahlung einer Genugtuung von 5‘000 Euro pro Person, rund 5360 Schweizer Franken, verurteilt.
Dies ist das bereits vierte Mal innerhalb von drei Jahren, dass Russland von diesem Gerichtshof wegen Verletzungen der Rechte von LGBTI+ verurteilt wurde. So urteilten die Richter 2017, dass das Anti-Gay-Propagandagesetz die Menschenrechte verletze, 2018 wurde das generelle Verbot von Pride-Veranstaltungen für nicht zulässig erklärt, und vor ein paar Monaten gaben die Richter LGBTI+ Organisationen Recht, welche von Russland davon abgehalten wurden, dass sie sich als Organisationen eintragen können. Die Urteile des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wären zwar zwingend bindend, doch der Institution sind die Hände gebunden, wenn es um die tatsächliche Durchsetzung der Urteile geht. So ist das Anti-Gay-Propagandagesetz weiterhin in Kraft und es werden noch immer sämtliche Pride-Veranstaltungen verboten, respektive, es werden die nötigen Bewilligungen nicht erteilt.
Im neusten Urteil heisst es vom Gerichtshof nun, dass die Mittel, welche gegen die Demonstranten eingesetzt wurden, nicht verhältnismässig und für eine demokratische Gesellschaft unnötig waren. Das Argument, dass die Polizei nicht aufgrund der sexuellen Orientierung gehandelt habe, lehnten die Richter ab. Sondern vielmehr sei gegen das Versammlungsrecht verstossen worden. Auch das Recht auf Freiheit und Sicherheit sei verletzt, und ihnen sei das Recht auf einen fairen Prozess verweigert worden. Die Verhaftung vor dem Gebäude der Duma sei willkürlich gewesen und danach sei ihnen auch keine faire Anhörung zugestanden worden. Ob Russland die Geldstrafen tatsächlich ausbezahlen wird, wird sich zeigen.