RUSSLAND muss LGBTI+ Paare nach Europ. Gerichtsurteil anerkennen

RUSSLAND muss LGBTI+ Paare nach Europ. Gerichtsurteil anerkennen
Dass Russland das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anerkennen oder gar umsetzen wird, steht ausser Frage, doch es könnte zumindest eine Signalwirkung für jene Staaten in Europa haben, welche gleichgeschlechtlichen Paaren bislang keine Möglichkeit geben, ihre Partnerschaft rechtlich abzusichern. Für die queeren, russischen Paare, welche die Klage bis nach Strassburg gebracht haben, ist es wenigstens eine Genugtuung, dass sie in einem wahren Rechtsstaat zumindest Anspruch auf rechtliche Anerkennung hätten.

Es ist nicht das erste Mal, dass Russland vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Bezug auf die Rechte für LGBTI+ verurteilt wird, und es wird wohl wie in den Fällen davor wieder so sein, dass sich das Land weigert, das Urteil umzusetzen. Bereits 2017 erklärten die Richter:innen in Strassburg nämlich, dass das 2013 eingeführte, sogenannte Anti-Gay-Propagandagesetz diskriminierend sei, LGBTI+ Feindlichkeiten fördere und die Europäische Menschenrechtskonvention verletze. Statt das Gesetz aufzuheben entschied sich die russische Führung für das Gegenteil und verschärfte das Gesetz im Dezember 2022 nochmals massiv.

Unter diesen Gesichtspunkten ist es bereits sicher, dass Russland auch das neue Urteil aus Strassburg weder anerkennen, geschweige denn umsetzen wird. Hinzukommt, dass Russland aufgrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine im September 2022 aus dem Europarat ausgeschlossen wurde, worauf das Land auch die Europäische Menschenrechtskonvention sistiert hat. Der Europäische Gerichtshof wird aber noch alle Klagen abarbeiten, welche vor dem vergangenen September aus Russland eingereicht wurden.

Die aktuelle Klage wurde von drei gleichgeschlechtlichen Paaren angestrengt, deren Antrag auf eine Eheschliessung in Russland abgelehnt wurde. Ihnen wurde zudem auch keine andere Möglichkeit angeboten, wie sie ihre Partnerschaften rechtlich anerkennen und schützen lassen können. Ihre Anträge wurden jeweils von den Behörden abgelehnt, da die Ehe in Russland nur als Beziehung zwischen Mann und Frau angesehen werde.

Nun haben die Richter:innen in Strassburg ein Machtwort gesprochen und Russland beauftragt, dafür zu sorgen, dass gleichgeschlechtliche Paare rechtlich anerkannt werden. Nach dem Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention muss Russland somit LGBTI+ Paaren den gleichen Schutz für ihre Partnerschaften bieten wie verheirateten Paaren. Werde die Ehe für alle nicht anerkannt, heisst es in der Entscheidung weiter, dann müsse ein Mitgliedsland des Europarats ein Rahmengesetz verabschieden, welches gleichgeschlechtliche Paare anerkennt und auch schützt.

Die Argumente Russlands stiessen dabei in Strassburg auf wenig Gehör. So erklärte Russland, dass die Familie in seiner traditionellen Form ein Grundwert der russischen Gesellschaft sei, und im wesentlichen damit verbunden werde, die Menschheit zu erhalten und weiterzubringen. Das Gericht hielt dem jedoch entgegen, dass dies nicht Grund genug sei um den Paare ihre Rechte vorzuenthalten. Weiter nehme Russland seine Verantwortung nicht wahr, das Recht auf Respekt gegenüber dem Privat- und dem Familienleben der Kläger sicherzustellen.

Auch wenn dieses Urteil auf Russland mit grösster Wahrscheinlichkeit keinen Einfluss haben wird, so könnte es trotzdem Signalwirkung für andere Länder haben. Nicht nur unter den Mitgliedern des Europarats, sondern selbst in der Europäischen Union gibt es nach wie vor zahlreiche Staaten, welche LGBTI+ Paaren keine rechtliche Absicherung ermöglichen. Durch dieses Urteil gegen Russland müssten sie, bei entsprechenden Klagen, ebenfalls ihre Gesetze anpassen, entweder durch die Öffnung der Ehe oder durch eine gleichwertige Möglichkeit in Form eines Partnerschaftsgesetzes. Innerhalb der EU sind es derzeit Bulgarien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und die Slowakei, welche queere Partnerschaften nicht anerkennen.