RUSSLAND: Regenbogenfahnen sollen an der Fussball-WM erlaubt sein
Es ist ein überraschendes Zugeständnis, wenn wir uns an die Diskussionen kurz vor und während den Olympischen Spielen in Sotchi zurück erinnern: Der Anti-Diskriminierungsverantwortliche des russischen Fussballverbands, Alexei Smertin, hat während einer Medienkonferenz in Moskau erklärt, dass es während den Fussballweltmeisterschaften im kommenden Jahr definitiv kein Verbot von Regenbogensymbolen in Russland geben wird. Es sei klar, dass man nach Russland kommen könne, und dass man nicht dafür bestraft werde, wenn man seine Gefühle ausdrücke. Zudem sei es unwahrscheinlich, so Smertin weiter, dass LGBT-Fans gegen russisches Recht verstossen können, denn das Gesetz betreffe nur Propaganda gegenüber Minderjährigen. Er könne sich nicht vorstellen, dass jemand in eine Schule gehen werde um darüber zu sprechen.
Wie ernst man solche Äusserungen nehmen kann, ist mehr als fraglich, besonders wenn man die Begründung von Smertin anschaut: Russland griff bislang immer hart durch, wenn Regenbogenflaggen oder andere, ähnliche Symbole öffentlich zu sehen waren. Da es in und um die Fussballstadion, sowie bei den öffentlichen Public Viewings garantiert auch minderjährige Zuschauer haben wird, verstösst jeder mit einer Regenbogenflagge automatisch gegen das geltende Anti-Gay-Propagandagesetz. Dasselbe gilt für Regenbogenflaggen an anderen Orten wie in den Innenstädten der Austragungsorte wie St. Petersburg oder Moskau.
Dass die russischen Behörden nicht einfach ein Gesetz für die Zeit der Fussballweltmeisterschaften ausser Kraft setzen können, macht auch Vitaly Milonov klar. Der Politiker ist Co-Autor des Anti-Gay-Propagandagesetzes und er erklärte, dass dies die Regierung nicht entscheiden könne. Wenn ein Gesetz eingeführt und vom Präsidenten unterschrieben wurde, dann habe die Regierung kein Recht, es auszusetzen. Schon während den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotchi blieb das Gesetz in Kraft, was international für mächtig Rummel sorgte. Zahlreiche LGBT-Aktivisten wurden im Rahmen der Spiele von den Behörden verhaftet und zur Zahlung von Geldbussen verurteilt. So etwa auch der LGBT-Aktivist Vladimir Luxuria, welcher erst an einer Protestaktion festgenommen wurde, und am darauffolgenden Tag noch einmal, als er in einem Regenbogendress versuchte ein Eishockeyspiel zu besuchen.
Menschenrechts- und LGBT-Organisationen warnen zudem bereits, dass sich schwullesbische Paare während ihrem Besuch der WM nicht Händchen haltend in der Öffentlichkeit zeigen sollen. Hassverbrechen seien weitverbreitet und solche Gesten würden als Provokation gesehen. Die Organisation Fare – ehemals Football Against Racism in Europe – hat sogar eine Broschüre mit Verhaltensempfehlungen für LGBTs vorbereitet, um Schwule, Lesben und Transgender auf einen Besuch der WM in Russland vorzubreiten. Die Organisation hat zudem auch die Fifa aufgefordert, sich für die LGBT-Community einzusetzen, damit zumindest innerhalb der Stadien Regenbogenfahnen gezeigt werden dürfen.
Was diese versöhnlichen Töne Russlands zudem für die LGBT-Community bedeutet, ist ebenfalls fraglich: Das homophobe Klima ist allgegenwärtig und wird von der Politik immer wieder geschürt. Auf Zwischenfälle gegen LGBTs wird, wenn überhaupt, nur sehr langsam reagiert, wie etwa das Beispiel Tschetschenien gezeigt hat. Seit der Einführung des Anti-Gay-Propagandagesetzes hat sich die Zahl der Hassverbrechen gegen LGBTs zudem verdoppelt. Viele sehen durch dieses Gesetz quasi, dass der Staat ihre Taten gutheisst. Aus diesen Gründen ist es gut möglich, dass sich Russland zwar während der Fussballweltmeisterschaft handzahm gegenüber der Community zeigt, um danach jedoch wieder mit bekannter Härte gegen Schwule, Lesben und Transgender vorzugehen…