STUDIE: Schaden Dating Apps tatsächlich dem queeren Nachtleben?

STUDIE: Schaden Dating Apps tatsächlich dem queeren Nachtleben?
Die Zahl der Gay Bars und Clubs nimmt in den USA, aber auch in Europa, tendenziell ab, doch sind dafür tatsächlich die Gay Dating Apps verantwortlich, wie es so oft heisst? Eine neue Studie zeigt nun, dass diese Antwort viel zu einfach wäre, und dass es je länger je mehr mit einer ganzen Vielzahl an Faktoren zusammenhängt...

Auch wenn die Untersuchung von Hornet, eben einer dieser Dating Apps veröffentlicht wurde, so zeigen sich trotzdem einige Fakten, welche mit dem schwindenden, queeren Nachtleben in direktem Zusammenhang stehen dürften. Es ist sicherlich einfach, die Schuld dafür der Verlagerung des Kennenlernens von der realen in die virtuelle Welt zu geben, und es ist unbestritten, dass dies auch tatsächlich etwas dazu beigetragen hat, doch dies als alleinige Ursache zu bezeichnen wäre dann doch zu einfach. Vielmehr zeigt sich laut dem Bericht von Hornet, dass die Gründe weit vielfältiger sind.

Laut aktuellen Zahlen hat die Zahl der Gay Bars und Gay Clubs in den USA zwischen 2005 und 2011 um 12 Prozent abgenommen. Bis heute dürfte das Minus noch weit grösser sein. Einer der Hauptgründe, und aus einem anderen Blickwinkel durchaus als positiv zu betrachten, ist, dass die LGBTI+ Community quasi in weiten Teilen Nordamerikas und Westeuropas im Mainstream angekommen ist und daher diese Orte, wo sie sich selber sein können, nicht mehr in diesem Ausmass brauchen, wie es früher nötig war. Heute können LGBTI+ mit all ihren Freunden und mit der Familie ausgehen ohne sich verstecken zu müssen. Sie sind quasi nicht mehr zwingend auf die „Safe Spaces“ angewiesen. Dies bedeutet entsprechend „Konkurrenz“ für Gay Bars und Clubs, und auch dort vermischt sich das Publikum immer mehr - mal ausgenommen von den Fetisch-Lokalitäten.

Früher waren Gay Bars jeweils auch die Treffpunkte für LGBTI+ Gruppen, welche sich für ihre Anliegen einsetzten. Sei es für die Ehe für Alle oder auch im Kampf gegen HIV/Aids. Heute hat sich viel von diesem Aktivismus ins Internet verlagert, etwa auf die Sozialen Plattformen wie Facebook. Die Bars als Treffpunkte sind dafür weniger nötig.

Weiter kommt hinzu, dass immer mehr gleichgeschlechtliche Paare Familien mit Kinder gründen. Damit limitiert sich die Zeit, in der man ausgehen kann deutlich, denn statt mit Drag Shows und Clubbing ist man plötzlich mit Hausaufgaben und auf dem Spielplatz involviert. Am Morgen steht zudem frühes Aufstehen und Frühstück vorbereiten auf dem Plan.

Des weiteren ist Alkohol heute sehr einfach zu bekommen und die Ausgehkultur hat sich generell gewandelt, was auch andere Clubs zu spüren bekommen. Besonders jüngere Club- und Bar-Besucher trinken bereits zu Hause und geben daher viel weniger Geld in den Lokalitäten aus, selbst wenn sie noch Gay Bars und Clubs besuchen. Dies schlägt stark auf die nötigen Einnahmen, zumal vielerorts die Mieten drastisch gestiegen sind.

Laut Hornet ist ein weiterer Punkt die Diskriminierung innerhalb der LGBTI+ Community selber. Viele gehen heute nicht mehr gerne in Gay Bars und Clubs, weil sie sich nicht wohl fühlen. Aber auch die sexuellen Belästigungen sind ein Thema, gerade in jenen Lokalen, welche für Cruising bekannt sind.

Ein anderes Problem ist auch RuPaul und ihr Drag Race: Während die Show zwar enorme Dienste für die Community in Bezug auf Sichtbarkeit und Akzeptanz leistet, so hilft sie aber nicht unbedingt dem queeren Nachtleben. Einerseits hat man heute Youtube und das Fernsehen um die nötige Drag-Dosis zu erhalten und man muss nicht wie früher extra in Gay Bars oder Clubs gehen. Hinzukommt, dass die Drag Race-Stars derart berühmt sind, dass sie praktisch nur noch in grossen Hallen und Clubs auftreten, welche damit den queeren Lokalitäten die Besucher wegschnappen. Lokale Performer haben zudem gegen diese Übermacht kaum eine Chance sich mit ihren Shows zu behaupten. Dies gilt insbesondere für die USA.

Und zu guter Letzt spielen sicherlich auch die Finanzen eine Rolle: Eine Gay Bar oder einem Gay Club zu führen braucht enorme Mittel, sei es die Miete, Steuern, das Entertainment Programm oder die Security. Dies zu stemmen ist in Zeiten des Überangebots von Nachtlokalen enorm schwierig.

Die Gründe sind somit vielfältig, und hängen nicht zuletzt auch mit unserem eigenen Verhalten zusammen. Stonewall, wir feiern in diesem Jahr das 50-jährige Jubiläum, ging von einer Bar aus, und deshalb sollten wir uns schon auch unsere Gedanken machen, weshalb wir gerade die queeren Lokalitäten ebenfalls unterstützen sollten. In London etwa hat dies gar der aktuelle Bürgermeister zu einem Ziel erklärt, die LGBTI+ Bars in der Stadt wenn immer möglich zu unterstützen, damit das Bar- und Clubsterben gestoppt werden kann...