TÜRKEI: Student*innen in Istanbul erheben schwere Vorwürfe an die Polizei
Es war eine Demonstration am 4. Januar gegen Staatspräsident Erdoğan und gegen den von ihm an der Bosporus-Universität in Istanbul frisch eingesetzten Rektor Melih Bulu. Wie in den meisten Fällen war dabei die Polizei nicht weit und setzte sogleich Tränengas und Wasserwerfer gegen die grösstenteils friedlichen Demonstranten ein. Einige wurden darauf gar zwischenzeitlich in Gewahrsam genommen. Doch auch mit diesem brutalen Vorgehen war die Aktion für die Sicherheitskräfte noch nicht beendet, und so kam es in den Tagen danach, vom 5. bis zum 7. Januar zu weiteren Massnahmen. So führten bewaffnete Beamt*innen der Spezialeinheit Ozel Harekat Hausdurchsuchungen durch, wie Queeramnesty in einer Medienmitteilung schreibt. Mindestens 45 Studierende wurden dabei festgenommen.
Nach Gesprächen mit den Opfern erklärten deren Anwälte und auch Amnesty International, dass die verhafteten Student*innen auch misshandelt, gefoltert und bedroht wurden. Zwei LGBTI+ Studierenden sei etwa angedroht worden, dass sie mit einem Schlagstock vergewaltigt werden, zudem seien sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder/und ihrer Geschlechtsidentität beschimpft worden. Eine Person gab an, dass ihr bei der Verhaftung eine Pistole an den Kopf gehalten, und eine andere Person sei mit einem Polizeihelm auf den Kopf geschlagen worden. Bei mindestens acht Studierenden seien zudem erniedrigende Leibesvisitationen durchgeführt worden, teilweise sogar mehrfach.
Wie die Verhafteten weiter erklärten, seien sie von den Sicherheitskräften gestossen und dazu gezwungen worden, sich hinzulegen. Dann habe man ihre Hände auf dem Rücken gefesselt und sie hätten in dieser Position während eineinhalb Stunden auf dem Boden liegen müssen. Von den 45 Studierenden liegen bis heute die Berichte von 15 von ihnen vor. Darin beschreiben sie, wie sie auf dem Gelände des Krankenhauses, wohin man sie zu Untersuchungen brachte, misshandelt wurden. Teilweise seien diese Taten gar von den Anwesenden gefilmt worden.
Amnesty International hat nun eine Petition lanciert um das Vorgehen der türkischen Regierung zu verurteilen. Sie verletzte damit ganz klar das türkische Recht und auch die beiden internationalen Menschenrechtsabkommen, zu welchen sich das Land verpflichtet hat, schreibt die Organisation. So dürfe die Türkei nicht willkürlich die Versammlungsfreiheit einschränken, zudem seien Folter und Misshandlungen sowohl unter nationalem, wie auch unter internationalem Recht unter allen Umständen verboten. Es seien zwar zwischenzeitlich alle Verhafteten wieder freigelassen worden, doch es bestehe für sie nach wie vor das Risiko der Strafverfolgung. Zudem würden die Betroffenen noch immer überwacht.
Mit ihrer Petition fordert Amnesty International nun, dass das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden untersucht werden muss. Die dafür verantwortlichen Sicherheitskräfte sollen zudem vor Gericht gestellt werden. Adressiert ist die Petition an den Generalstaatsanwalt von Istanbul, Şaban Yılmaz.