TÜRKEI: Wie LGBTI+ freundlich/ feindlich ist Erdogans Herausforderer?
Wie alle fünf Jahre, so stellte sich der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am 14. Mai zu seiner Wiederwahl. Noch selten, wenn nicht sogar noch nie, sah es für die Opposition derart gut aus um tatsächlich eine Chance gegen den amtierenden Präsidenten zu haben. Dabei lässt Erdogan derzeit nichts unversucht um Stimmen zu gewinnen, und fällt aktuell während seinem Wahlkampf besonders mit seiner äusserst LGBTI+ feindlichen Rhetorik auf. Da aber keiner der Kandidaten am Sonntag die 50 Prozent Stimmanteil erreicht hat, kommt es am 28. Mai zur Stichwahl.
Erdogans eigene Bilanz in Bezug auf die Rechte queerer Menschen, wie auch allgemein in Bezug auf die Menschenrechte, ist miserabel. Während vor und auch noch am Anfang seiner Zeit als Präsident etwa in Istanbul noch immer grosse Pride Paraden stattfanden, so sind diese seit Jahren nicht mehr möglich. Versuche, trotzdem für die Rechte von LGBTI+ auf die Strasse zu gehen, werden von der Polizei jeweils brutal niedergeschlagen, und neben dem Einsatz von Tränengas, Schlagstöcken und Gummischrot, kommt es auch immer wieder zu Massenverhaftungen. Und im Gegenteil: Erst 2022 nahmen Tausende an einer Demonstration gegen LGBTI+ teil - alles zum angeblichen Schutz der Familie.
An Wahlkampfveranstaltungen unterstreicht er zudem seine Ansichten, wonach er, seine Partei die AKP und seine Verbündeten sich nie im Leben für queere Menschen einsetzen werden, denn die Familie sei heilig für sie. All jene, welche Pro-LGBTI+ sind, würde man an der Urne begraben, so Erdogan weiter. Junge Wähler:innen sollen sich zudem den Oppositionsparteien fernhalten, denn diese seien allesamt queerfreundlich. Man solle sich zudem wie ein Mann für Heterosexuelle stark machen, denn so seien die Familien in diesem Land.
Der wichtigste Oppositionspolitiker und aussichtsreichster Herausforderer von Erdogan ist Kemal Kılıçdaroğlu von der republikanischen Volkspartei CHP. Um gegen Erdogan eine Chance zu haben, hat er ein Sechserbündnis mit anderen Parteien aufgegleist. Er gilt als ziemlich moderat und hält sich mit seinen Ansichten und Aussagen eher an die demokratischen Standards. Auf eine Frage über LGBTI+ meinte er schlicht, dass niemand in das Leben von anderen eingreifen solle. Auch weil dieses Thema von Erdogan derart hochgekocht wird, hielt sich Kılıçdaroğlu während seinen Wahlkampf aber doch ziemlich zurück und ging diesem Thema etwas aus dem Weg.
Aus früheren Interviews ist aber bekannt, dass er in queeren Menschen, anders als Erdogan, keine Gefahr für die Familie sieht. Zudem erklärte er, dass es Menschen gebe, welche LGBTI+ als pervers und unmoralisch sehen, doch er finde, dass man das Leben von allen respektieren solle. Zudem solle man den Lebensstil von anderen nicht zu einem Politikum machen, so Kılıçdaroğlu weiter. Die Politik habe andere Aufgaben. So sei die Politik dazu da um Lösungen für aktuelle Probleme zu finden, und nicht um sich in die Leben und die Religion von anderen Menschen einzumischen.
Obwohl Kılıçdaroğlu bereits 74-jährig ist, adressiert er in seinem Wahlkampf auch die jungen Wähler:innen direkt. So zeigt er sich überzeugt, dass gerade die Jungen genug von der jetzigen Politik haben und mehr Demokratie wollen. Dabei kritisiert er unter anderem auch den Umgang von Erdogan mit Kritikern: So ist es in den Vergangenheit oft vorkommen, dass Personen wegen einem regierungskritischen Tweet oder Post in den Sozialen Medien kurzerhand festgenommen wurden. Weiter hat Kılıçdaroğlu auch Gesetze versprochen, welche Minderheiten schützen sollen.
Am Sonntag schaffte es also keiner der Kandidaten gewählt zu werden. Erdogan lag mit 49.51 Prozent etwas vor Kılıçdaroğlu mit 44.88 Prozent. Somit kommt es am 28. Mai zur Stichwahl. Derzeit sehen die Prognosen einen leichten Vorteil zu Gunsten von Erdogan.