UK: Was der neue Premier Rishi Sunak für LGBTI+ bedeutet
Sei es unter Theresa May, unter Boris Johnson, oder danach auch unter Liz Truss: Es ging vieles in die Brüche zwischen der britischen Regierung und der LGBTI+ Community. Sei es das immer wieder versprochene Gesetz gegen Konversionsmassnahmen, oder auch der Umgang mit queeren Flüchtlingen, die britische Regierung hielt versprechen nicht ein oder macht nur halbherzige Vorschläge, welche zu neuen Diskriminierungen führten. Aus diesem Grund überraschen die Forderungen der Community an den neuen Premierminister Rishi Sunak kaum: Es müssen neue Brücken zwischen der Politik und der LGBTI+ Community gebaut werden.
Wie Rishi Sunak tatsächlich zu den Rechten für queere Menschen steht, ist nicht sonderlich bekannt, hatte er doch während seiner politischen Karriere wenig Berührungspunkte damit. Äusserte er sich doch einmal, dann war es aber nicht immer auf der Seite der LGBTI+ Community - insbesondere nicht während seinen jüngsten Kampagnen um Premier von Grossbritannien zu werden. So soll er erklärt haben, dass trans Frauen im Sport nicht bei den Frauen antreten sollen dürfen. Und geht es um queere Themen im Unterricht, dann sollen die Schulen zurückhaltender sein, wie sie dies vermitteln.
Gleichzeitig zeigte sich Sunak aber auch besorgt über die steigenden Zahlen bei Hassverbrechen: Er wolle Grossbritannien zum sichersten und grossartigsten Land für LGBTI+ machen, und er wolle nicht, dass sich jemand dafür verstecken muss, für wen er oder sie liebt, so Sunak. Auf die zunehmende Transphobie in der Partei angesprochen, erklärte er zudem, dass solche Vorurteile gegen trans Menschen falsch seien. Weiter nannte er auch ein Ende der HIV-Neuinfektionen bis 2030 als eines seiner Ziele. Ob ihm nun die Versöhnung zwischen der Politik und den LGBTI+ gelingen wird, darüber scheint die Community tief gespalten.
Wenig zuversichtlich ist der wohl bekannteste LGBTI+ Aktivist des Landes, Peter Tatchell: Während seiner Kampagne um Anführer bei den Tories zu werden, habe Sunak queere Menschen nicht einbezogen, aus diesem Grund sehe er wenig Hoffnung, dass Anliegen wie das Verbot von Konversionsmassnahmen oder die Reform des Gesetzes zur Anerkennung des Geschlechts tatsächlich vorangetrieben und umgesetzt werden.
Weiter fordert er umgehend Neuwahlen. So erklärte er gegenüber PinkNews, dass Rishi Sunak kein Mandat für irgendetwas habe. Er sei nicht durch die britische Bevölkerung, sondern lediglich durch eine kleine Gruppe von etwas über 100 Tories gewählt worden. Es müssten umgehend Neuwahlen angesetzt werden, damit sichergestellt sei, dass der Premierminister und seine Politik öffentlich abgesegnet sind. Zweimal den Premier auszutauschen ohne eine Wahl habe nichts mehr mit Demokratie zu tun, so Tatchell. Boris Johnson wurde noch legitim gewählt, aber sowohl Liz Truss wie auch Rishi Sunak wurden nun beide durch die Partei als neue Premier bestimmt.
Von der trans Organisation Gendered Intelligence heisst es wiederum, dass Liz Truss darin versagt habe, ein vollumfängliches Verbot von Konversionsmassnahmen auf den Weg zu bringen, welches sie noch als Gleichstellungsministerien versprochen habe. Es sei nun an der Partei, dieses Gesetz wie versprochen einzuführen, oder sie werden dann die Konsequenzen an der Wahlurne zu spüren bekommen. Die Öffentlichkeit will dieses Gesetz, die LGBTI+ Community braucht dieses Gesetz, und für die Tories könnte es der einzige Weg sein die abstürzenden Umfragewerte aufzufangen, so die Organisation.
Die ehemalige Beraterin der Regierung für LGBTI+ Fragen, Jayne Ozanne, gratulierte Rishi Sunak zur Wahl und forderte ihn gleichzeitig dazu auf, eine Brücke zur queeren Community aufzubauen. Die Partei sei verurteilt worden, weil sie trans Personen vom Verbot von Konversionsmassnahmen ausschliessen wolle, weil sie queere Flüchtlinge nach Ruanda ausschaffen wolle und weil sie ein toxisches Umfeld für die LGBTI+ Community schuf. Mit ihrer Gratulation sei auch die Aufforderung verbunden, sich den Bedürfnissen jener anzunehmen, welche in diesen unsicheren Zeiten am gefährdetsten und am ängstlichsten sind. Dazu würden auch die queeren Menschen gehören, so Ozanne, welche teilweise aufgrund toxischer Debatten um die trans Rechte oder durch die massive Zunahme der Hassverbrechen in konstanter Angst leben.
Die Organisation Micro Rainbow, welche sich um queere Asylsuchende kümmert, rief den neuen Premier dazu auf, die Pläne zu verwerfen, wonach alle Flüchtlinge, welche über den Ärmelkanal kommen, umgehend nach Ruanda ausgeschafft werden, egal wo ihre Heimat ist. Grossbritannien hat mit Ruanda einem entsprechenden Vertrag ausgehandelt und dafür mächtig Kritik einstecken müssen. Gerade LGBTI+ Asylsuchende werden dadurch in ein Land geschickt, wo sie sich keinesfalls sicher fühlen können. Sunak hat die Praxis mit der Abschiebung nach Ruanda stets unterstützt.
Wie Rishi Sunak als Premierminister für die LGBTI+ Community sein wird, ist ungewiss. So ist nicht klar, ob er etwa in Bezug auf das Verbot von Konversionsmassnahmen vorwärts machen wird. Seine höchste Priorität dürfte derzeit aber die Wirtschaft haben, insbesondere wegen den explodierenden Lebenshaltungskosten. Dies wird auch queeren Menschen helfen, welche auch in dieser Krise zu den gefährdetsten gehören.
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