HINTERGRUND: In der kommenden Legislatur des Obersten Gerichts der USA steht viel auf dem Spiel

HINTERGRUND: In der kommenden Legislatur des Obersten Gerichts der USA steht viel auf dem Spiel
Wenn im Oktober die neue Legislaturperiode des Obersten Gerichts beginnt, dann geht es für die LGBTI+ Community um viel, sehr viel - insbesondere für Jugendliche. Vordergründig geht es unter anderem um das Verbot von Konversionsmassnahmen im Bundesstaat Colorado, doch die Entscheidung hat Auswirkungen auf die gesamten USA. Weiter dürfte auch die Ehe für alle zum Thema werden - mit ebenfalls ungewissem Ausgang.

Das Oberste Gericht in den USA hat eine ungeheure Macht, und seit die Konservativen eine überdeutliche Mehrheit haben, kann es besonders für die LGBTI+ Community brandgefährlich werden. Bereits am 7. Oktober kommt es zu einer eben solchen Anhörung. Kurz nachdem die Obersten Richter ihre neue Legislaturperiode einläuten wird mit Chiles v. Salazar ein erster gewichtiger Fall verhandelt.

Dabei klagt Kaley Chiles aus Colorado, da sie als eingetragene Beraterin weiterhin das Recht haben will, Konversionsmassnahmen bei Minderjährigen anzuwenden. Da der Bundesstaat Colorado dies seit dem Jahr 2019 durch eine Gesetzesanpassung ausdrücklich verbietet um damit queere Jugendliche zu schützen, sieht sich Chiles in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt. Das Gesetz vor dem Obersten Gericht verteidigen wird  Patty Salazar im Namen der Colorado Department of Regulatory Agencies. Diese Behörde ist für die Zulassung von Berufsverbänden zulässig. 

Während sich untere Instanzen bislang an die Seite von Salazar stellten und das Gesetz gutgeheissen haben, sorgte ein Berufungsgericht in Florida für ein aufsehenerregendes Urteil, in dem die lokalen Verbote von Konversionsmassnahmen für ungültig erklärt und damit in Teilen Floridas aufgehoben wurden. Diese unterschiedlichen Entscheidungen führten nun dazu, dass sich das Oberste Gericht dem Fall annimmt.

Für die LGBTI+ Community steht dabei enorm viel auf dem Spiel: Denn sollte sich das Supreme Court an die Seite von Beraterin Kaley Chiles stellen, dann würde das Verbot nicht nur im US-Bundesstaat Colorado aufgehoben, sondern gleich in 24 weiteres Bundesstaaten, von New York an der Ostküste bis Kalifornien an der Westküste. Damit würden queere Jugendliche fortan schutzlos da stehen und sie könnten äusserst schädlichen Praktiken ausgesetzt werden, ohne dass die Anbieter dabei mit einer Strafe rechnen müssen.

Daher überrascht es auch kaum, dass verschiedenste LGBTI+ Organisationen mit mehr als deutlichen Worten auf den bevorstehenden Prozess reagieren: Es gehe dabei nicht um die freie Meinungsäusserung, sondern es gehe um einen Kampf auf Leben und Tod. Die Statistiken rechtfertigen diese Argumentation, denn laut Studien unter anderem des Trevor Projects, verdoppelt sich das Risiko eines Suizidversuchs bei jenen Jugendlichen, welche solche schädlichen Konversionsmassnahmen ausgesetzt waren. Das Risiko auf gleich mehrere Suizidversuche in einem Jahr ist sogar zweieinhalb Mal höher.

Welche Entscheidung das Oberste Gericht treffen wird, ist ungewiss, aber LGBTI+ Organisationen machen deutlich, dass es auch bei den Republikanern viele Befürworter dieser Verbote gibt. Seit 2012 hätten republikanische Politiker:innen in den USA auf allen Ebenen über 1000 einzelne Male für ein Verbot gestimmt und dabei dazu beigetragen, dass die Verbote umgesetzt werden konnten. Gerade bei den anstehenden Anhörung fällt zudem auf, dass auch viele Opfer von Konversionsmassnahmen sprechen wollen um von diesen Praktiken zu warnen.

Unter Konversionsmassnahmen versteht man den Versuch die sexuelle Orientierung, die Geschlechtsidentität oder der Geschlechtsausdruck einer Person zu verändern oder zu unterdrücken. Dabei werden Praktiken angewandt, welche von Beten über Psychotheapie bis hin zu Elektroschocks reichen. Sämtliche wichtigen Berufsverbände der Mediziner, Ärzte, Psychologen und Psychotherapeuten lehnen diese Praktiken als gefährlich und schädlich ab, da sie bei den Opfern häufig zu Depressionen oder Suizidgedanken führen. Dennoch sind Konversionsmassnahmen noch immer verbreitet, gerade im Umfeld von religiösen Gruppierungen und Freikirchen.

Eine weitere Entscheidung, welche das Supreme Court fällen könnte, betrifft die Ehe für alle. Kim Davis, die Standesbeamtin aus Kentucky, hat ihren Fall in Form eines Berufungsantrags erneut vor das Oberste Gericht gebracht. Nun liegt es an diesen Richter:innen zu entscheiden, ob sie sich dem Fall annehmen wollen oder nicht.

Nehmen sie sich dem Fall an, dann könnte das Supreme Court im kommenden Frühling erste Anhörungen durchführen und bereits im kommenden Sommer, möglicherweise sogar im Pride Month, ein entsprechende Entscheidung bekanntgeben. Dabei besteht die Gefahr, dass die nationale Ehe für alle, wie sie 2015 durch eben dieses Gericht eingeführt wurde, wieder gekippt wird. Dann würde die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare auf einen Schlag in zahlreichen Bundesstaaten wieder verunmöglicht.

Durch den von Joe Biden im Jahr 2022 eingeführten "Respect for Marriage Act" müssten sie zwar die in anderen Bundesstaaten geschlossenen Ehen weiterhin anerkennen, doch sie müssten selber keine Eheschliessungen in ihrem State zulassen.