HINTERGRUND: Pristina - der Safe Space für Queers auf dem ganzen Balkan
Bereits zum achten Mal fand in diesem Juni die Prishtina Pride statt, und das Prishtina Queer Festival wird im September zu seiner zweiten Ausgabe starten. Die Hauptstadt des Kosovo hat sich innert kürzester Zeit zu einem wahren Safe Space für die LGBTI+ Community des gesamten Balkans entwickelt. Das Kulturfestival wird unter anderem auch von den Schweizer Vereinen Lila. Festival und B.U.T.C.H.E.S. & F.A.G.S unterstützt, und dazu werden sie im August eine Solidaritätsparty in Zürich organisieren.
Im Interview mit gay.ch spricht Dan Sokoli über das Prishtina Queer Festival, über die politische Situation für queere Menschen, über die Möglichkeit eines Parterschaftsgesetzes, aber auch über die Solidaritätparty in Zürich.
Welches sind die Highlights der zweiten Ausgabe des Prishtina Queer Festival?
Das Festival findet in diesem Jahr erneut während drei Tagen statt, und es bietet wieder verschiedene Schwerpunkte. Am Freitag, am Eröffnungsabend, zeigen wir verschiedene musikalische Darbietungen und Live Performances. Am Samstag steht das lokale Filmschaffen im Zentrum mit einer Q&A Session, daneben stellen wir auch unser diesjähriges Projekt vor. Um die Sichtbarkeit zu stärken und um zu zeigen, dass es auch LGBTI+ Kosovar:innen und Albaner:innen gibt, haben wir 100 queere Personen portraitiert. Ihre Geschichten veröffentlichen wir nun. Am Abschlusstag zeigen wir zudem internationale Filme, und als einziger Anlass in der Öffentlichkeit wird es einen Flohmarkt und eine Street Party geben, zudem haben lokale Firmen dort die Möglichkeit sich zu präsentieren. Während allen drei Tagen organisieren wir zudem auch verschiedene Workshops, welche sich vor allem an jüngere Besucher:innen richten.
Wie wird das Festival von der Community, aber auch von der Bevölkerung von Pristina aufgenommen?
Das Festival fand 2023 zum ersten Mal statt und wir waren selber völlig überrascht. Wir hätten nie gedacht, dass wir schon von Anfang an derart gut besucht werden. Alles war sehr sicher, es gab keine Zwischenfälle und wir haben sehr gute Rückmeldungen von den Besucher:innen erhalten. Es kamen auch Journalist:innen aus dem Ausland, welche über das erste Prishtina Queer Festival berichtet haben. Uns war es zudem von Beginn weg wichtig, dass wir die Community mit an Bord holen. Aus diesem Grund haben wir alle eingeladen, dass sie mit uns zusammensitzen, mit uns Ideen entwickeln und diese schlussendlich auch gemeinsam mit uns umsetzen. So konnten wir auch sicherstellen, dass sich alle entsprechend repräsentiert fühlen. Während dem gesamten Festival kamen auch LGBTI+ aus dem Ausland, und auch viele Allies und interessierte waren vor Ort.
Erblin Nushi’s Kinofilm „I Love You More“ aus dem Kosovo hat im vergangenen Jahr international hohe Wellen geschlagen: Merkst Du, dass die queere Kulturszene im Kosovo immer weiter wächst?
Der Film war im vergangenen Jahr ein Highlight unseres Queer Festivals und wir durften ihn erstmals öffentlich zeigen. Nach dem Film stand zudem Erblin Nushi dem Publikum Red und Antwort. Wir haben zudem für den Festival-Sonntag mit dem Festival Queer in Lissabon eine Partnerschaft begonnen. Damit können wir internationales Filmschaffen zeigen, und unsere Filmemacher:innen erhalten im Gegenzug auch die Möglichkeit, ihre Filme im Ausland zu zeigen. Die queere Kulturszene im Kosovo wächst immer mehr, auch ausserhalb unseres Festivals. So kam beispielsweise im vergangenen Jahr RuPauls Drag Race-Star Alaska Thunderfuck nach Pristina - es war ihr erster Auftritt auf dem Balkan überhaupt. Auch haben wir noch eine neue Partnerschaft mit Berlin aufgegleist, unter anderem mit Trainings gerade auch für junge Queers. Viele meiner Freunde in den Nachbarländern des Kosovo sind schon ganz neidisch und bezeichnen Pristina bereits als die Gay Capital des Balkans. Ich freue mich jedenfalls auf alles was noch kommen wird.
Am 24. August findet in Zürich eine Solidaritätsparty für das Prishtina Queer Festival statt: Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und dem Kosovo?
Dies kam vor allem durch das Lila. Festival und durch B.U.T.C.H.E.S. & F.A.G.S zustande. Sie besuchten uns am Queer Festival, wird sprachen zusammen und so entstand die Idee für einen Solidaritätsparty in Zürich, welche wir aber gemeinsam organisieren. Das Prishtina Queer Festival ist für das Programm verantwortlich, und wir reisen mit DJs und Showacts in die Schweiz. Die Crew in Zürich übernimmt das Organisatorische. Dabei geht es uns auch darum, uns nicht nur auf den Kosovo zu fokussieren, sondern eigentlich auf die gesamte Region, auf Serbien, Montenegro und Albanien, denn wir alle haben die gleichen Probleme. So soll es quasi eine Balkanparty werden.
Auf dem Balkan im Allgemeinen ist es nicht eben einfach ein Coming Out zu haben: Wie ist die Situation im Kosovo?
Bevor es Social Media gab, da war es sehr schwierig, öffentlich ein Coming Out zu haben. Durch die Sozialen Medien hat sich die Situation im Kosovo aber stark verändert. Heute gibt es mehr und mehr Coming Outs auch in den traditionellen Medien. Auch wenn es noch immer Hassreden im Land gibt, so gibt es aber gleichzeitig auch viel mehr Unterstützung für queere Anliegen. Durch die Sozialen Medien sind die Menschen offener geworden, es gibt mehr Gespräche über unsere Themen und es werden auch mehr Geschichten mit offen lebenden LGBTI+ Menschen erzählt. So gab es beispielsweise auch symbolische Hochzeiten von gleichgeschlechtlichen Paaren, eine in der albanischen Hauptstadt Tirana, über welche in den Medien gross berichtet wurde.
Konzentriert sich das queere Leben vor allem auf Pristina, oder auch auf die eher ländlichen Gebiete?
Es konzentriert sich fast alles auf unsere Hauptstadt, etwa die Kulturangebote, und Pristina ist auch ein Safe Space für die gesamte Community im Kosovo. Wir hatten beispielsweise keine Hassverbrechen in den vergangenen Jahren in der Stadt. Auf dem Land sieht es aber ganz anders aus, dort ist ein Coming Out nach wie vor kaum möglich. Wir vom Prishtina Queer Festival haben aber auch begonnen Anlässe mit unserem Namen in anderen Gebieten des Landes zu veranstalten. So hatten wir bereits Filmvorführungen in vier weiteren Städten und zudem haben wir auch schon Ausstellungen ausserhalb der Hauptstadt organisiert. Es ist aber auch schön zu sehen, dass mittlerweile auch andere Festivals queere Themen aufgreifen und in den Fokus stellen. So fand beispielsweise Mitte Juli das Anibar International Animation Festival in der Stadt Peja unter dem Titel Smash The Patriarchy statt, und es wurden dort auch explizit LGBTI+ Inhalte gezeigt. Ein anderes Beispiel ist das Dokufest in Prizren, der zweitgrössten Stadt im Kosovo. Auch sie haben in letzter Zeit immer wieder queeres Filmschaffen ins Programm aufgenommen. Dort hat zudem auch Peaches ihre autobiografische Doku vorgestellt und zudem auf der Bühne performt.
Vor wenigen Monaten sorgte der Premierminister vom Kosovo, Albin Kurti, für Schlagzeilen, als er während seinem Staatsbesuch in Berlin erklärte, dass er bereits innerhalb weniger Wochen ein Partnerschaftsgesetz einführen wolle. Wie geht es diesbezüglich weiter?
International gesehen mag dies überrascht haben, aber hier im Kosovo laufen die öffentlichen Diskussionen darüber bereits seit zwei Jahren. Es wurde auch bereits ein Entwurf und ein Spezialgesetz vorgestellt, um ein Partnerschaftsgesetz umzusetzen. Die Regierung hat dazu aber nicht mit der Zivilgesellschaft zusammengearbeitet. In den Medien war vielfach von einer Ehe die Rede, was dazu führte, dass es auch im Parlament zu Hassreden kam, alles nur um Wählerstimmen in der Bevölkerung gewinnen zu können. Unsere Forderung ist aber klar: Wir wollen jetzt die gleichen Rechte, und zudem wollen wir, dass sie nicht immer nur davon sprechen, sondern dass sie eng mit der Community zusammenarbeiten.
Was denkst Du, werden diese Rechte eher auf politischem Weg oder eher über die Gerichte eingeführt?
Ich denke auf dem politischen Weg. Im kommenden Jahr sind allerdings Wahlen bei uns, und daher denke ich, dass bis dahin nichts mehr in diese Richtung passieren wird. Doch es gibt noch ganz andere Punkte im Zivilgesetz, welche angepasst werden müssten, etwa wenn es um unverheiratete, heterosexuelle Paare geht, um Abtreibungen, Adoptionen oder auch um alleinerziehende Mütter.
Aber die Verfassung des Kosovo ist doch äusserst modern und kennt beispielsweise auch bereits einen Diskriminierungsschutz für queere Menschen?
Genau, die Verfassung unseres Landes ist eine der modernsten überhaupt, doch das Problem ist, dass sich diese Verfassung noch nicht in den Gesetzen widerspiegelt. Das braucht noch viel Zeit bis es soweit ist.
Dan, danke für dieses Interview.
Bilder: © Prishtina Queer Festival
Prishtina Queer Festival SOLIDARITY PARTY ZURICH:
Sa. 24. August 2024, 22h - Provitreff, Zürich
PQF - auf schnellstem Wege Liebe senden! Der heisse Balkan ist zu Besuch in Zürich: Mit dieser Solidaritätsparty im Zürcher Provitreff wird das Prishtina Queer Festival im Kosovo unterstützt. Jedes Ticket hilft, um das Prishtina Queer Festival zu unterstützen und einen fabulösen und sicheren Ort für unsere LGBTQ+ Familie im Kosovo zu schaffen.
Artists:
Nica2cica, Xhenisa, Matale
Drags:
Diva, Queen Maggy, Lila Creativista, Nicoletta und HardTila LaLove.
Vorverkauf:
10CHF / 20CHF / 30CHF
PRISHTINA QUEER FESTIVAL:
Vom 6. bis zum 8. September findet das Prishtina Queer Festival in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal statt. An drei Tagen gibt es lokale und internationales Filmschaffen zusehen, es werden Workshops durchgeführt und es gibt es gibt auch Performances und Partys.
Mehr über das Festival erfährst Du hier:
@prishtinaqueerfestival