INDIEN: Das Oberste Gericht befasst sich mit der Ehe für alle
Vom Montag bis zum Donnerstag, 20. April, fanden vor dem Obersten Gericht Indiens Anhörungen zur Ehe für alle statt. Dabei hatten sowohl die Regierung, welche das Anliegen ablehnt, wie auch gleichgeschlechtliche Paare, welche geklagt haben, die Möglichkeit, ihre Sicht vorzutragen. Dabei handelt es sich um eine Sammelklage, da die Klagen von insgesamt 18 LGBTI+ Paaren, welche das selbe Ziel haben, zusammengefasst wurden.
Die Regierung von Premierminister Narendra Modi sah die Interessen der Bevölkerung in Gefahr, wenn die Ehe nicht mehr nur auf die Beziehung zwischen einem biologischen Mann und einer biologischen Frau beschränkt ist. Diese Definition der Ehe sei gesellschaftlich, kulturell und rechtlich tief verankert und dürfe nicht durch ein Gericht verwässert werden, heisst es in der Erklärung der Regierung weiter. Weiter greifen sie auch gleich die klagenden Paare an: So sei die Forderung nach der Ehe für alle elitär und hätte nur im städtischen Umfeld die nötige Akzeptanz in der Bevölkerung.
Derzeit können gleichgeschlechtliche Paare nur in einer nicht registrierten Lebensgemeinschaft zusammenleben, doch damit haben sie keinerlei Rechte. Entsprechend gelangten auch mehrere Paare mit ihrer Klage an das Oberste Gericht, um sich ihre Rechte auf diesem Weg zu erkämpfen. Dabei geht es um viele grundlegende Anliegen: So können gleichgeschlechtliche Paare beispielsweise kein gemeinsames Bankkonto eröffnen, zusammen keine Immobilie erwerben, sie sind nicht erbberechtigt voneinander, auch die Adoption bleibt ihnen verwehrt und bei Gesundheitsfragen dürfen sie keine Entscheidungen fällen.
Wie sich die Richter nach den Anhörungen entscheiden werden, ist ungewiss, doch das Supreme Court in Indien war schon des öfteren für Überraschungen gut. Nachdem es die Politik während Jahren nicht geschafft hat, gleichgeschlechtliche Aktivitäten zu legalisieren, sprachen schliesslich die Obersten Richter ein Machtwort und entkriminalisierten Homosexualität im Jahr 2018. Auch diesmal könnte es wieder in diese Richtung gehen, da sich das Gericht in jüngster Zeit immer wieder zu Gunsten der Rechte von queeren Menschen ausgesprochen hat.
Geht es nach der Bevölkerung, dann wäre der Fall ebenfalls klar, wie eine Umfrage aus dem Jahr 2021 zeigte. Nur gerade 18 Prozent lehnten die Ehe für alle ab, während 58 Prozent die Öffnung befürwortet haben. 24 Prozent waren sich noch unsicher oder wollten die Frage nicht beantworten. Damit zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen der Ansicht der Regierung und der Haltung der Bevölkerung.
Sollte das Gericht die Ehe tatsächlich legalisieren, dann wäre Indien nach Taiwan erst das zweite Land in Asien, welches die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare einführt.