SCHWEIZ/ UNGARN: Der Schweizer Botschafter in Ungarn über die Budapest Pride

SCHWEIZ/ UNGARN: Der Schweizer Botschafter in Ungarn über die Budapest Pride
Die Schweizer Botschaft in Ungarn hat zusammen mit 29 weiteren Botschaften eine gemeinsame Erklärung zur Budapest Pride unterzeichnet. Im Interview mit gay.ch erklärt der Schweizer Botschafter vor Ort, Jean-François Paroz, wie es zu diesem Schreiben kam, und welche Möglichkeiten die Schweiz hat, sich in Ungarn für die LGBTI+ Community einzusetzen...

Am vergangenen Wochenende gingen in Budapest tausende LGBTI+ und ihre Supporter auf die Strasse um für die Rechte von queeren Menschen einzutreten und wohl nicht zuletzt auch um ein Zeichen gegen die queerfeindliche Politik von Regierungschef Viktor Orban und dessen Fidesz Partei zu setzen. Ebenfalls an der Pride mit dabei war Thomas Widmer, stellvertretender Missionschef der Schweizer Botschaft in Budapest. Zusammen mit seiner Frau und mit weiteren Teilnehmenden von anderen Botschaften, war er der offizielle Vertreter der Schweizer Botschaft an der Pride.

Bereits im Vorfeld der Budapest Pride haben insgesamt 30 Botschafter:innen eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, mit welcher sie ihre Solidarität mit der LGBTI+ Community in Ungarn ausdrückten. Unter ihnen auch der Schweizer Botschafter Jean-François Paroz. Wie es zu diesem Schreiben kam, und welche Möglichkeiten die Schweiz vor Ort hat, um sich für queere Menschen in Ungarn einzusetzen, erklärte der Botschafter im gay.ch-Interview.

Am Wochenende fand in Budapest die Pride statt: Waren Sie als Schweizer Botschafter in Ungarn mit dabei?
Botschafter Paroz: Die Botschaft war durch meinen ersten Mitarbeiter, den stellvertretenden Missionschef Thomas Widmer an der Pride vertreten.

Sie haben mit 29 weiteren Botschaftern einen offenen Brief an die ungarische Regierung mitunterzeichnet, mit welchem Sie LGBTI+ Feindlichkeiten verurteilen. Wie kam es dazu und wer hat dies organisiert?
Die gemeinsame Erklärung ("Joint Pride Statement") wird jedes Jahr anlässlich der Pride von den in Budapest ansässigen diplomatischen Vertretungen verfasst. Es handelt sich nicht um eine Verurteilung, sondern um ein Zeichen der Solidarität im Rahmen eines wichtigen Anlasses. Dieses Jahr war die irische Botschaft federführend, die Schweizer Botschaft hat bei der Ausarbeitung der Erklärung wie üblich ihre Punkte eingebracht.

Welche weiteren Möglichkeiten hat die offizielle Schweiz um sich in Ungarn für die Grundrechte von queeren Menschen einzusetzen?
Es ist die Rolle des Botschafters und der Botschaft, sämtliche Entwicklungen in Ungarn zu beobachten und zu analysieren und über wichtige Ereignisse nach Bern zu berichten. Auf dieser Grundlage entscheiden die zuständigen Behörden in Bern, ob wir unsere ungarischen Partner im politischen Dialog darauf ansprechen, oder das Thema in den entsprechenden Gremien (Menschenrechtsrat, Europarat) einbringen. Am 1. Juli habe ich mich ferner mit Tamás Dombos, dem Geschäftsführer von Háttér Society getroffen, um mich mit ihm über die Lage der LGBTQI+-Community in Ungarn mit einem besonderen Augenmerk auf die jüngste legislative Entwicklung auszutauschen. Im Rahmen des ihr zur Verfügung stehenden Kleinkredits plant die Botschaft, diese Nichtregierungsorganisation zu unterstützen. Háttér Society stellt beispielsweise Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden, unentgeltliche rechtliche Beratung zur Verfügung.

Wie nehmen Sie persönlich die aktuelle Situation in Ungarn in Bezug auf die Anti-LGBTI+ Stimmung war? Und hat das einen Einfluss auf die Schweizer Botschaft?
Wie bereits erwähnt ist meine Rolle als Botschafter, die Entwicklungen in Ungarn zu verfolgen, einzuordnen und die relevanten Schweizer Behörden zu informieren. Als Schweizer Bürger und als Freund Ungarns bin ich der festen Meinung, dass es eine Kernaufgabe des Staates ist, alle Teile der Bevölkerung vor jeglicher Form von Diskrimination zu schützen. Auch bin ich der Überzeugung, dass Gesetzestexte nur Konzepte benutzen sollten, die rechtlich klar genug und praktisch anwendbar sind.

Die Europäische Union hat mit der Kürzung von EU-Geldern gedroht, welche an Ungarn ausbezahlt werden: Gibt es ähnliche Massnahmen oder „Sanktionen“ aus der Schweiz oder sind solche geplant oder überhaupt möglich?
Es besteht im Moment keine finanzielle Unterstützung auf Regierungsebene. Im Falle des ersten schweizerischen Erweiterungsbeitrags bestand keine Konditionalität, aber es war eine Priorität sicherzustellen, dass die Finanzmittel auch den Minoritäten und Organisationen der Zivilgesellschaft zugutekommen.