TÜRKEI: 9 von 10 queeren Menschen sind von Online-Bullying betroffen
Online Bullying und Mobbing schadet der psychischen Gesundheit in hohem Masse. Da gerade queere Menschen meist kein Vertrauen in unterstützende Massnahmen wie etwa dem Melden von Hasskommentaren haben, greifen sie deshalb oftmals zur Selbstzensur, heisst es im nun veröffentlichten Bericht der türkischen LGBTI+ Organisation KAOS GL.
Dabei zeigte sich ein erschreckendes Bild was die Verbreitung von sogenannter digitaler Gewalt in der Türkei betrifft. Während in der Gesamtbevölkerung rund 20 Prozent bereits von Mobbing und Bullying im virtuellen Raum betroffen waren, so steigt dieser Anteil innerhalb der LGBTI+ Community auf 90 Prozent an. Dabei zeigte sich, dass gerade die weitverbreiteten Social Media-Plattformen X - ehemals Twitter - und Instagram besonders toxisch sind für die Community.
Die Täter sind meist anonyme Internetnutzende, schreiben die Autoren des Berichts, und sollte die Identität doch bekannt sein, dann stammen sie meist aus dem Umfeld der Opfer, so etwa Familienmitglieder oder Freunde. Weiter handelt es sich oft auch um Personen des öffentlichen Lebens, so etwa um Medienschaffende, Politiker:innen oder Behördenmitarbeitende, welche online Hass gegen LGBTI+ verbreiten.
Obwohl die gleichgeschlechtliche Liebe in der Türkei nicht verboten ist, hat die Queer Community im Land einen harten Stand. Immer wieder kommt es zu Hassverbrechen und Angriffen auf queere Menschen, nicht selten auch vom Staat aus. Die Situation hat sich dabei insbesondere in den vergangenen Jahren stark verschlechtert. Gerade rund um Wahlen wie in diesem Jahr nutzen Politiker:innen bis hinauf zu Präsident Erdogan die Plattform, um öffentlich gegen LGBTI+ zu hetzen.
Während früher jeweils Zehntausende an der Pride in Istanbul teilgenommen haben, so wird diese seit 2014 jedes Mal verboten. Die LGBTI+ Community lässt sich dieses Recht jedoch nicht nehmen und so gehen sie seither in jedem Jahr trotzdem auf die Strasse, trotz massiver Polizeigewalt und dem Risiko kurzerhand verhaftet zu werden.
Für die nun veröffentlichte Studie rund um Online-Gewalt arbeitete KAOS GL mit der südafrikanischen Association for Progressive Communications (APC) zusammen. Sie befragten dazu ingesamt 305 queere Menschen, wobei sie bei zehn Fällen auch ausführliche Interviews durchführten.