TUNESIEN: Behörden haben eine neue Verhaftungswelle gestartet

TUNESIEN: Behörden haben eine neue Verhaftungswelle gestartet
Alleine im Juli wurden in Tunesien über ein dutzend Personen wegen angeblichen, gleichgeschlechtlichen Aktivitäten verhaftet. Dies insbesondere in der Hauptstadt Tunis, aber auch auf der bei Touristen beliebten Insel Djerba. Auch wenn diese Handlungen einvernehmlich sind, drohen in Tunesien bis zu drei Jahre Haft, zudem werden Praktiken von den Behörden angewandt, welche international als Folter gelten.

Dass die Verhaftungen gerade in Tunis und auf Djerba stattfanden, überrascht wenig, denn gerade dort ist die LGBTI+ Community am sichtbarsten. Doch die Verhaftungen finden oftmals auch willkürlich und ohne Rechtsgrundlage statt, etwa basierend auf Vorurteilen. Die Behörden verwenden zudem auch Social Media, Kommunikations-App oder gar Dating-Plattformen um queere Menschen in einen Hinterhalt zu locken und zu verhaften.

Laut Damj, einer lokalen LGBTI+ Organisation in Tunesien, wurden alleine im Juli 14 Personen verhaftet. Dabei fanden die Verhaftungen praktisch alle innerhalb von zwei Wochen in Tunis und Djerba statt. Den Verhafteten wird dabei vorgeworfen, dass sie gegen den Artikel 230 des Strafgesetzes verstossen haben. Dieser stellt gleichgeschlechtliche Handlungen unter Strafe. Weiter kommen auch noch zusätzliche Artikel zur Anwendung, welche Verstösse gegen Moral und Sitte bestrafen.

Wie Damj berichtet, haben die Festnahmen von queeren Menschen durch die Polizei zugenommen. Dabei werden die Personen festgehalten, dann kommt es zu Leibesvisitationen und auch ihre Handys werden durchsucht. Danach werden sie angezeigt. Andere werden auch in sogenannte Sicherheitszentren gebracht, wo sie, um angebliche „Beweise“ zu sichern, auch unmenschlichen und entwürdigenden Analuntersuchungen ausgesetzt werden, welche von den Vereinten Nationen, wie auch von Menschenrechts- und LGBTI+ Organisationen als Folter ablehnt werden.

Die LGBTI+ Organisation Damj rät den Betroffenen, dass sie im Falle einer Verhaftung sofort einen Anwalt oder eine Vertrauensperson kontaktieren sollen. Bis dahin sollen sie schweigen und auch keine Dokumente unterzeichnen, ohne sie persönlich geprüft zu haben.

Neun der Verhaftungen im Juli geschahen in Tunis und Djerba. Sechs der Verhafteten wurde bereits der Prozess gemacht und sie wurden zu Haftstrafen von bis zu zwei Jahren verurteilt.

Damj betont dabei, dass Tunesien kein sicheres Land für queere Menschen sei. Auch Trans Coalition Unity Tunisia warnt davor, dass Cybermobbing ein alarmierendes Ausmass angenommen habe. Die digitale Überwachung und die Diffamierung queerer Menschen werden von den Medien vorbehaltlos verbreitet, und auf diese Weise würden LGBTI+ blossgestellt. Dies sei mittlerweile Alltag geworden. Die Regierung verfolge und unterdrücke nicht-heterosexuelle Personen, und anerkenne die Grundrechte der LGBTI+ Community nicht an, so die Organisation weiter.

Es handle sich dabei um systematische Unterdrückung, so Trans Coalition Unity Tunisia. Es würden Menschen aufgrund ihres Aussehens festgenommen, weil sie nicht den gängigen Geschlechtervorstellungen entsprechen, oder weil sie sich einfach in der Öffentlichkeit zeigen.

Sowohl Trans Coalition Unity Tunisia wie auch Damj haben zusammen mit anderen LGBTI+ Organisationen den Social Media-Konzern Meta aufgefordert, auf seinen Plattformen Facebook, Instagram und Whatsapp bessere Schutzmechanismen einzuführen, damit queere Menschen besser vor Cybermobbing geschützt werden, sowie vor Spionage durch den Staat, etwa durch Strafverfolgungsbehörden.