TUNESIEN: Komitee fordert Entkriminalisierung von Homosexualität

TUNESIEN: Komitee fordert Entkriminalisierung von Homosexualität
Es kommt wieder Bewegung in die Debatte um die Legalisierung von Homosexualität in Tunesien: Das Komitee für individuelle Freiheiten und Gleichstellung COLIBE empfiehlt dem Staatspräsident die Entkriminalisierung von Homosexualität. Und sollte dies nicht möglich sein, so sollen zumindest die Strafen drastisch gesenkt werden.

Trotz der drohenden Strafen von bis zu drei Jahren Gefängnis hat Tunesien eine äusserst aktive LGBT-Community. Sie fordern seit langem immer wieder die Entkriminalisierung von Homosexualität, bislang jedoch ohne Erfolg. Nun kommt erneut Bewegung in die Debatte, denn das Komitee für individuelle Freiheiten und Gleichstellung, kurz: COLIBE, hat an die Adresse des Staatspräsidenten eine Empfehlung abgegeben und fordert diesen damit auf, sich für die Legalisierung einzusetzen. Das Komitee wurde im vergangenen Jahr vom aktuellen, tunesischen Staatspräsident Béji Caïd Essebsi gegründet und setzt sich aus Menschenrechtsanwälten, Gesetzgebern und Akademikern zusammen. Ihr Ziel ist es, eine Reform voranzutreiben, um damit die Anforderungen an die aus dem Jahr 2014 stammende, tunesische Verfassung mit den internationalen Menschenrechten zu verbinden.

COLIBE hat nun einen finalen Bericht geschrieben und diesen mit den entsprechenden Empfehlungen an Präsident Essebsi weitergeleitet. So fordern sie unter anderem, dass der Artikel 230 im Strafgesetz abgeschafft wird, welcher Homosexualität für illegal erklärt. Als Begründung geben sie an, dass sowohl der Staat wie auch die Gesellschaft nichts mit dem Sexleben von Erwachsenen zu tun haben dürfe. Die sexuelle Orientierung und die Vorlieben von Personen seien ein wesentlicher Bestandteil des Privatlebens, heisst es im Bericht weiter. Der Artikel 230 solle deswegen gestrichen werden, da er die Selbstbestimmung des Privatlebens verletzte und Tunesien zudem auch Kritik von internationalen Menschenrechtsorganisationen einbringe. Sollte der Artikel, welcher Homosexualität bestraft, nicht gestrichen werden, so sollen die Strafen zumindest reduziert werden, empfiehlt COLIBE weiter.

Internationale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch lobten den Bericht und sprachen von einem mutigen Schritt und einem grossen Wurf für Tunesien. Auch wenn es vielleicht nicht zu sofortigen Änderungen komme, so befeure der Bericht doch die Dynamik der LGBT-Bewegung im Land. Innerhalb der tunesischen Regierung haben sich immer wieder Politiker öffentlich zu Wort gemeldet und sich für eine Entkriminalisierung von Homosexualität ausgesprochen. Im vergangenen Jahr wurden zudem die erniedrigenden Analuntersuchungen abgeschafft, welche oftmals bei Schwulen zur Beweisführung eingesetzt wurden. Zudem gibt es auch ein LGBTI-Filmfestival sowie eine Radioshow.

Andere Vorschläge von COLIBE sahen etwa die Abschaffung der Todesstrafe vor oder eine Verbesserung der rechtlichen Situation der Frauen.