TÜRKEI: Universität in Istanbul darf Film über Familie mit queeren Kindern nicht zeigen

TÜRKEI: Universität in Istanbul darf Film über Familie mit queeren Kindern nicht zeigen
An der renommierten Boğaziçi-Universität in Istanbul kommt es immer wieder zu Protesten für die Rechte queerer Menschen und gegen die Politik der türkischen Regierung. Meist werden diese Aktionen von der Polizei teils mit roher Gewalt im Keim erstickt. Die Universitätsleitung wird derweil ebenfalls immer repressiver und hat nun sogar verboten, dass ein Film über Familien mit queeren Kindern gezeigt werden darf.

Als Recep Tayyip Erdoğan und andere türkische Politiker öffentlich gegen queere Menschen hetzten oder als die Polizei mit brutaler Gewalt gegen die Teilnehmenden der Istanbul Pride vorgingen, kam es an der renommierten Boğaziçi-Universität in Istanbul zu gross angelegten Protesten von LGBTI+ Studierenden, Akademikern und ihren Unterstützenden.

Insbesondere auch, als Präsident Erdoğan im Januar 2021 den eigenen, linientreuen Rektor, Professor Melih Bulu, einsetzte, kam es zu Demonstrationen auf dem Gelände. Wenig später, im August des selben Jahres, erneut, als Bulu durch Professor Naci İnci ersetzt wurde, der ebenfalls äusserst regierungstreu ist. Die Leitung der Universität ging jeweils gnadenlos gegen die Proteste vor und versuchte solche Aktionen mit Massenverhaftungen bereits im Keim zu ersticken. Gerade auch wenn es um queere Themen oder Kritik an der Regierung geht, dann gilt in der Türkei seit einigen Jahren die Null-Toleranz-Politik.

Als nun im Kinoklub der Universität der Film Benim Çocuğum - zu deutsch: Mein Kind - hätte gezeigt werden sollen, schritt die Universitätsleitung erneut äusserst kurzfristig ein und verbot den Anlass nur zwei Stunden vor Beginn. Wie Studierende, welche für die Vorführung verantwortlich waren, erklärten, haben sie erst die Erlaubnis bekommen, und entsprechend überrascht waren sie nun über das kurzfristig verhängte Verbot. Eine wirkliche Erklärung durch die Universitätsleitung gab es nicht: Der Film habe zuvor nicht gezeigt werden dürfen, und er dürfe auch jetzt nicht gezeigt werden, hiess es einzig.

Der Kinoklub forderte darauf die Studierenden der Universität auf, gegen diese Entscheidung zu protestieren. Diesen Film zu verbieten komme einer „homophoben Zensur“ gleich, erklärten sie, denn der Film handelt von Familien mit Kindern, die ihr Coming Out als LGBTI+ hatten. Doch es dürfte nicht nur das Thema sein, welche die Universitätsleitung zu diesem drastischen Schritt bewogen hat.

Der Film stammt nämlich von Can Candan, welcher früher selber Dozent an der Boğaziçi-Universität war. Als Erdoğan aber einen regierungsfreundlichen, und nicht eben unumstrittenen Rektor einsetzte, wurde Candan im August 2021 kurzerhand entlassen. Dies wollte sich der Dozent aber nicht bieten lassen und so zog er vor Gericht. Die Richter beurteilten seine Kündigung darauf als nicht rechtmässig und so musste die Universität ihn im März 2022 per Gerichtsbeschluss wieder einstellen.

In der Türkei gibt es eigentlich keine Gesetze gegen Homosexualität, doch seit einigen Jahren wurden LGBTI+ von der Regierung zu einem Feindbild hochstilisiert - insbesondere von Erdoğans AKP. So werden queere Menschen etwa als unmoralisch und als Gefahr für die traditionelle Familie bezeichnet. Bislang konnten LGBTI+ wenigstens vor Gericht noch einige Erfolge erzielen und so zumindest ein bisschen gegen die Verfolgung und Unterdrückung ankämpfen.