HINTERGRUND: Die Angst der Community vor den Medien im Vorfeld der Wahlen in Indonesien

HINTERGRUND: Die Angst der Community vor den Medien im Vorfeld der Wahlen in Indonesien
Queerfeindliche Taten haben in Indonesien in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Verantwortlich dafür unter anderem auch die Debatte rund um Gesetze wie etwa ein Verbot von gleichgeschlechtlichen Aktivitäten. LGBTI+ Organisationen und Aktivist:innen warnen nun vor einer weiteren Zunahme durch entsprechende Berichterstattung im Vorfeld der Wahlen 2024. Anti-LGBTI+ Rhetorik eignet sich in Indonesien leider bestens um Wählerstimmen zu generieren.

Die Aufregung war gross, als das Gerücht in der Millionenstadt Medan die Runde machte, dass vor dem Rathaus angeblich ein schwules Paar gesehen wurde. Der Bürgermeister Bobby Nasution höchstpersönlich, notabene der Schwiegersohn von Staatspräsident Joko Widodo, will das Paar gesehen haben und nutzte dies für eine wahre Hasstirade gegen queere Menschen. Es gebe keinen einzigen LGBTI+ in Medan, erklärte der Politiker, denn man sei gegen LGBTI+. Es gebe keine einzige ethnische Minderheit in der Region, welche gleichgeschlechtliche Aktivitäten unterstütze, so Nasution weiter. Man solle sich daher auf die eigenen kulturellen Werte besinnen, sei es in Bezug auf Traditionen, den Alltag oder die Beziehungen.

Die Aufregung aus Medan verbreitete sich wie ein Lauffeuer und weitere Politiker:innen von anderen Provinzen wie Bandung, Garut, Makassar, North Kalimantan und Sampang sprangen sofort auf den Zug auf und forderten umgehend eine Verschärfung der Gesetze gegen LGBTI+ in ihren Regionen. In Makassar beispielsweise sind solche Pläne bereits weit fortgeschritten und es sind Verbote für queere Events, Gruppen und Organisationen vorgesehen. Alles von den lokalen Zeitungen, Fernsehstationen und News-Plattformen mit LGBTI+ feindlichem Unterton versehen und verbreitet.

Diese Entwicklung löst in der LGBTI+ Community Besorgnis aus, insbesondere da im kommenden Jahr Wahlen anstehen und sich Politiker:innen in der Vergangenheit mit queerfeindlichen Standpunkten zu überbieten versuchten. Die Alliance of Indonesian Independent Journalists (AJI), die Union of Journalists for Diversity (SEJUK) und die LGBTI+ Organisation Arus Pelangi haben daher einen gemeinsamen, offenen Brief veröffentlicht, in welchem sie von den Gefahren für diese Form der diskriminierenden Berichterstattung warnen. Ihre Aussagen haben sie zudem mit den Resultaten einer Untersuchung unterstrichen.

Im Januar und Februar wurden insgesamt 113 Berichte veröffentlicht, welche von der LGBTI+ Community in Indonesien handelten. Dabei zeigte sich, dass Queerness in 29 Fällen als abweichendes Verhalten diskreditiert wurde, und in 28 weiteren Fällen hiess es, dass die gleichgeschlechtliche Liebe durch die Religion verboten sei. In 13 Berichten stand zudem, dass es gegen moralische und kulturelle Normen verstosse. Die Organisationen kritisierten, dass mit solchen Ansichten und Aussagen die Stigmatisierung und Diskriminierung von queeren Menschen befeuert werde.

Es wurde aber nicht nur betrachtet, wie man sich über die LGBTI+ Community geäussert hat, sondern auch von wem diese Aussagen stammten. Nur gerade in fünf dieser Berichte kamen queere Organisationen zu Wort um ihre Sichtweisen darzulegen. Dem gegenüber gab es in 35 Berichten diskriminierende Äusserungen von Zivilorganisationen, in 31 von Mitgliedern der Räte der Volksvertreter:innen und Parlamente, in 25 von Bürgermeister:innen, hohen Amtsträgern und in 16 Berichten von Vorstehern von Departementen.

Was sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet hat, bestätigen nun auch die Organisationen. LGBTI+ Themen werden zunehmend politisiert, insbesondere vor den bevorstehenden Wahlen am 14. Februar 2024. Dabei sind es nicht zuletzt auch die Parteien selber, welche gar ihre Politiker:innen dazu ermutigen, mit queerfeindlichen Themen auf Stimmenfang zu gehen. Daher fordern die Autoren der Untersuchung von den Medien, insbesondere der Massenmedien, dass sie im speziellen darauf achten, dass sie nicht für Identitätspolitik missbraucht werden. Stattdessen sollen sie vielmehr Nachrichten publizieren, welche die Vielfalt des Landes unterstreichen, welche die Menschenrechte respektieren, und welche nicht zuletzt auch die LGBTI+ Community miteinschliessen.