HINTERGRUND: LGBT Center in Peking von den Behörden geschlossen
Schon die Veranstaltenden der Shanghai Pride haben 2021 das Handtuch geworfen und mehr oder weniger deutlich erklärt, dass der Druck und die Drohungen von Seiten der Behörden gegen ihre Organisation zu gross geworden seien, um weiter funktionieren zu können. Und nun wurde am Montag, wenige Tage vor dem IDAHOBIT, dem Internationalen Tag gegen LGBTI+ Feindlichkeiten, und wenige Tage nach dem 15-jährigen Jubiläum auch das LGBT Center in Peking geschlossen.
Als das Center 2008 eröffnet wurde, standen die Olympischen Sommerspiele in der Hauptstadt kurz bevor, und die chinesische Führung nutzte die Gelegenheit, um sich nicht zuletzt auch mit dem LGBT Center Beijing als offen und modern zu präsentieren. Zudem wollte man damit auch vor versammelter Weltöffentlichkeit der Kritik an der Menschenrechtssituation im Land entgegentreten.
Das Center wurde rasch zum Treffpunkt der LGBTI+ Community und arbeitete gar mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen zusammen um erstmals in der Geschichte Chinas eine Umfrage rund um Sexualität und Geschlecht unter der chinesischen Bevölkerung durchzuführen. Das Center war stets auf Hunderte von freiwilligen Helfer:innen angewiesen, hatte nur ein sehr kleines Budget und nur wenige Mitarbeitende. In den Räumlichkeiten vor Ort wurden Filmvorführungen organisiert, aber auch Informationsveranstaltungen, und es wurden die Anliegen queerer Menschen gegen aussen vertreten und deren Sichtbarkeit gestärkt.
Doch nun ist alles anders: Seit Xi Jinping im Jahr 2012 das Zepter übernommen hat, weht der LGBTI+ Community ein eiserner Wind entgegen. Wohl auch weil das LGBT Center Beijing zur Heimat von LGBT Rights Advocacy China wurde, schien die Organisation den Behörden mehr und mehr ein Dorn im Auge zu sei. Sie bauten so nämlich ein Netzwerk an Anwälten im ganzen Land auf um mit gezielten Klagen gegen Behörden die rechtliche Situation von Queers zu verbessern. So wurde plötzlich die Ehe für alle ein Thema, aber auch der Schutz vor Diskriminierung und die Förderung von Diversität und Inklusion. Der Leiter von LGBT Rights Advocacy China wurde schliesslich im Jahr 2021 verhaftet und die Organisation wurde geschlossen.
Um mehr über solche Organisationen zu erfahren, gehen die Behörden in Peking und anderswo in China äusserst perfide vor: So wurden beispielsweise Mitglieder der Organisationen zu einem Tee eingeladen. Diese stets äusserst freundlich und offen verlaufenden Treffen verfolgen aber einzig den Zweck um mehr über die Organisation und deren Mitglieder zu erfahren. Je mehr Informationen sie über einzelne Mitglieder haben, desto stärker erhöhen sie den Druck und tauchen beispielsweise unangemeldet vor deren privaten Wohnadressen auf.
Bereits im Juli 2021 griff der Staat ein weiteres Mal mit scharfen Zensurmassnahmen durch und schloss auf der Social Media-Plattform WeChat zahlreiche Gruppen von Studierenden und Nichtregierungsorganisationen, welche sich in der Vergangenheit für queere Anliegen stark gemacht haben. Begriffe wie "gay", "LGBT" oder "sexuelle Minderheiten" verschwanden ganz von der Plattform. Und nun war auch das LGBT Center Beijing an der Reihe. Via WeChat teilte die Organisation mit, dass man aus Gründen, welche man nicht beeinflussen könne, habe schliessen müssen. Mehr war noch nicht zu erfahren.