HISTORY: Endlich JA! in der Schweiz

HISTORY: Endlich JA! in der Schweiz
Nach dem erfolgreichen Volks-Ja im vergangenen September können gleichgeschlechtliche Paare ab dem 1. Juli 2022 nun endlich offiziell heiraten: Der sperrige Begriff der Eingetragenen Partnerschaft gehört damit - zumindest in Teilen - der Vergangenheit an. Doch bis es soweit war, vergingen Jahrzehnte. Im Folgenden findest Du eine chronologische Abfolge wichtiger, politischer Ereignisse bis zu den ersten Eheschliessungen am 1. Juli 2022...

Ab dem 1. Juli 2022 können gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz heiraten. Eingetragene Partnerschaften können nicht mehr neu geschlossen werden, bleiben aber bei jenen Paaren, welche sich dies wünschen, weiterhin bestehen. Paare in einer Eingetragenen Partnerschaft können diese aber auch in eine Ehe umwandeln lassen - mit oder ohne entsprechender Zeremonie.

Für diesen Tag, der am 1. Juli nun endlich Realität wird, kämpften queere Menschen während Jahrzehnten - mit vielen Ups and Downs. Insbesondere ab 1995 gewann die Forderung nach gleichen Rechten für gleichgeschlechtliche Paare an Fahrt.

Im Folgenden findest Du eine chronologische Auflistung wichtiger Ereignisse, welche in der Schweiz schliesslich zur Ehe für alle führten:

1995:
Gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare: Unter diesem Titel wird im Parlament in Bern eine Petition mit 85'181 Unterschriften eingereicht. Die anfängliche Freude über die erfolgreiche Unterschriftensammlung verfliegt jedoch bald, da der Vorstoss auch ein Jahr später noch unbehandelt liegen blieb.

1997:
Die beiden Dachverbände Pink Cross und LOS übergeben dem Justiz- und Polizeidepartement in Bern zwei mögliche Varianten für Gesetze, wie man gleichgeschlechtlichen Paaren die gleichen Rechte zukommen lassen kann.

1998:
Auch drei Jahre nach der Einreichung der Petition "Gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare" hat sich in Bern nichts bewegt. Mit einer Wecker-Aktion auf dem Bundeshausplatz soll der "schlafende" Justizminister endlich aufgeweckt werden.

1999:
Der Christopher Street Day in Zürich nimmt ebenfalls die Forderung nach gleichen Rechten auf und feiert so gleichzeitig auch 30 Jahre Stonewall.

In Bern wird zudem eine Grossdemo unter dem Titel "Gleiche Liebe - Gleiche Rechte / Ja, wir wollen" mit der klaren Forderung nach einem Partnerschaftsgesetz organisiert. 6'000 Personen nehmen daran teil.

Endlich gibt es etwas Bewegung im Bundeshaus: Die Rechtskommission des Nationalrats erhält den Auftrag ein Partnerschaftsgesetz auszuarbeiten.

2000:
Via der neuen Justizministerin Ruth Metzler-Arnold gibt der Bundesrat den Grundsatzentscheid bekannt, dass gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit erhalten sollen, ihre Partnerschaft rechtlich und vor dem Staat abzusichern. Der Bundesrat verkündet damit, dass er ein entsprechendes Partnerschaftsgesetz ausarbeiten werde.

2001:
Im Kanton Genf erhalten erstmals in der Schweiz gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit ihre Partnerschaft zumindest auf kantonaler Ebene abzusichern. Möglich macht dies der Pacs Genevois.

2002:
Nach dem Kanton Genf zieht nun auch der Kanton Zürich nach: Der Kantonsrat verabschiedet ein Partnerschaftsgesetz, doch da die EDU das Referendum ergreift, kommt es zur kantonalen Volksabstimmung.

Noch im selben Jahr spricht sich sich die Zürcher Bevölkerung mit deutlichen 62.7 Prozent für die Einführung eines Partnerschaftsgesetzes aus. Zürich schreibt damit auch weltweit Geschichte, denn erstmals hat eine Bevölkerung über ein solches Gesetz mittels Volksabstimmung entschieden.

Nach dem Volksentscheid in Zürich stellt schliesslich auch der Bundesrat seinen definitiven Vorschlag für ein Partnerschaftsgesetz vor und reicht diesen beim Parlament ein.

2003:
Im Kanton Zürich tritt das Partnerschaftsgesetz in Kraft und Ernst Ostertag und Röbi Rapp sind das erste Paar, welches ihre Partnerschaft im Stadthaus Zürich eintragen lässt - im Beisein des damaligen Stadtpräsidenten.

In Bern befasst sich der Nationalrat mit dem Partnerschaftsgesetz auf Bundesebene und er nimmt es mit 118 zu 50 Stimmen deutlich an.

2004:
Gar mit 25 zu 0 Stimmen, bei vier Enthaltungen, spricht sich der Ständerat noch deutlicher für das Partnerschaftsgesetz für gleichgeschlechtliche Paare aus.

Kurz darauf bereinigt der Nationalrat das Partnerschaftsgesetz.

Darauf kommt es zur Schlussabstimmung in beiden Kammern: Das Resultat ist eindeutig. Im Nationalrat sprechen sich 112 für und 51 Politiker:innen gegen das Gesetz aus, bei 16 Enthaltungen, und im Ständerat lautet das Endergebnis 33 zu 5 Stimmen bei 4 Enthaltungen.

Auch auf nationaler Ebene ergreift die EDU zusammen mit konservativen Kreisen das Referendum und erneut gelingt es ihnen eine Volksabstimmung zu erzwingen.

Auf dem Bundeshausplatz nehmen 5'000 Personen an einer Grossdemo unter dem Motto "Achtung, Fertig, Partnerschaft" teil und damit lancieren die queeren Dachverbände den Abstimmungskampf.

2005:
Der Verein Partnerschaftsgesetz-Ja stellt sich in Bern bei einer Medienkonferenz erstmals vor.

Der Abstimmungskampf wird dann später in Luzern offiziell eröffnet, und zwar explizit in der Stadt und auch auf dem Land.

Der CSD in Zürich nimmt die Abstimmung zum Partnerschaftsgesetz als Motto und so heisst es "Go for YES!".

Am 5. Juni stimmt die Schweizer Bevölkerung mit 58 Prozent für das Partnerschaftsgesetz. 7 von 26 Kantonen und Halbkantonen lehnten das Gesetz ab. Dies waren Appenzell Innerrhoden, Jura, Schwyz, Tessin, Thurgau, Uri und der Kanton Wallis. Dies spielte jedoch im Endergebnis keine Rolle.

2007:
Am 1. Januar tritt das Eidgenössische Partnerschaftsgesetz in Kraft.

2010:
Die Petition "Familienchance" wird in Bern überreicht. Die 19'337 Unterzeichnende fordern, dass Paare in einer Eingetragenen Partnerschaft und deren Kinder die gleichen Rechte haben sollen wie Ehepaare und ihre Kinder.

2011:
Nach der Schweiz wird Liechtenstein das zweite Land weltweit, welches ein Partnerschaftsgesetz per Volksabstimmung einführt. Das Gesetz ist jenem der Schweiz angelehnt. Das Ergebnis war zudem eindeutig: 68.8 Prozent sprachen sich für das Partnerschaftsgesetz aus.

Im Juni lehnt die Rechtskommission des Nationalrats die Petition "Familienchancen" ab. Die Rechtskommission des Ständerats wiederum befürwortet sie hingegen im Oktober. Sie reicht daher beim Bundesrat die Motion "Gleiche Chance für alle Familien" ein um die Möglichkeit zu prüfen, das Partnerschaftsgesetz um die Adoption zu erweitern.

2012:
Der Nationalrat unterstützt im Dezember die Motion "Gleiche Chance für alle Familien", will aber statt der Adoption nur eine Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare.

2013:
Die Zurich Pride greift das Thema Familie auf und macht "All Families Matter - Jede Familie zählt gleich" zum Motto.

Am 5. Dezember reicht schliesslich die Grünliberale Fraktion in Bern die parlamentarische Intiative "Ehe für alle" ein.

2014:
Zum IDAHOBIT, dem Internationalen Tag gegen LGBTI+ Feindlichkeit am 17. Mai, findet in Bern eine Kundgebung auf dem Münsterplatz statt - das Motto: Ehe für alle.

Im August anerkennt das St. Galler Verwaltungsgericht erstmals ein schwules Männerpaar als Eltern eine Kindes an, welches durch Leihmutterschaft in den USA geboren wurde.

Der Bundesrat spricht sich für die Stiefkindadoption aus und schlägt daher eine Änderung des Adoptionsrechts vor.

2015:
Das Bundesgericht in Lausanne urteilt gegenteilig zum Verwaltungsgericht in St. Gallen und spricht einem Männerpaar die Elternschaft ab.

Im Mai lancieren die queeren Dachverbände und die Operation Libero eine Petiton zur Öffnung der Ehe.

Die Rechtskommission des Nationalrats stimmt der parlamentarischen Initiative Ehe für alle der Grünliberalen Fraktion zu, und danach sagt auch die Kommission des Ständerats Ja dazu.

2016:
Die Heiratsstrafe-Initiative der CVP wird ganz knapp vom Stimmvolk abgelehnt. Die Partei wollte damit quasi durch die Hintertür auch die Ehe in der Bundesverfassung als Verbindung zwischen Mann und Frau definieren.

Im Mai stimmt der Nationalrat für die Stiefkindadoption durch gleichgeschlechtliche Paare in einer Eingetragenen Partnerschaft.

2018:
Am 1. Januar tritt die Stiefkindadoption in Kraft.

2019:
Die Rechtskommission des Nationalrats spricht sich mit 17 zu 7 Stimmen deutlich für die Ehe für alle aus. Knapper ist das Ergebnis beim Zugang zur Samenspende für Frauenpaare, nämlich 13 zu 12 Stimmen.

2020:
Der Bundesrat spricht sich für die Ehe für alle aus und will diese so rasch wie möglich umsetzen. Er möchte die Ehe aber schrittweise öffnen und "heikle Punkte", etwa rund um die Fortpflanzungsmedizin, noch nicht behandeln.

Am 11. Juni stimmt der Nationalrat nicht nur der Ehe für alle zu, sondern, er spricht sich auch für den Zugang zur Samenspende für Frauenpaare aus.

Die Rechtkommission des Ständerats beschliesst, die Vorlage zur Ehe für alle vertieft zu prüfen. Erst im Oktober gibt sie grünes Licht und schliesst sich der Entscheidung im Nationalrat an.

Im Dezember stimmt auch der Ständerat für die Ehe für alle, und zwar ohne Verfassungsänderung. Wenige Tage später befasst sich der Nationalrat erneut mit der Vorlage und ebnet den Weg für die Schlussabstimmung.

Am 18. Dezember ist es vollbracht: Nach sieben Jahren stimmten beide Kammern in der Schlussabstimmung für die Ehe für alle. Doch, dies war leider bekanntlich noch nicht das letzte Kapitel.

2021:
Die Gegner:innen der Ehe für alle ergreifen das Referendum und beginnen mit der Unterschriftensammlung um eine Volksabstimmung zu erzwingen.

Im April haben die Initianten gegen die Ehe für alle ihre Unterschriften in Bern eingereicht und Ende Monat gab die Bundeskanzlei bekannt, dass die Ehe für alle definitiv vors Volk kommt.

Im Mai formiert sich das Ja-Komitee mit verschiedensten lokalen Ablegern in allen Regionen der Schweiz.

Aufgrund der Corona-Pandemie wird die Zurich Pride in den September verschoben - kurz vor die Volksabstimmung zur Ehe für alle.

Im Juni eröffnet der Bundesrat den Abstimmungskampf zur Ehe für alle: Bundesrätin Karin Keller-Sutter spricht dazu an einer Pressekonferenz über das Anliegen.

Wenige Tage später lanciert auch das Ja-Komitee die nationale Kampagne.

Am 4. September findet die Zurich Pride unter dem Motto "Trau Dich! Ehe für alle jetzt! statt.

Am 26. September sagt die Schweiz deutlich Ja zur Ehe für alle: Das Endergebnis lautete 64.1 Prozent Ja.

Im November bestimmt der Bundesrat, dass die Ehe für alle am 1. Juli 2022 in Kraft treten kann.

2022:
Erste Bestimmungen, welche mit dem Ja zur Ehe für alle beschlossen wurden, können bereits am 1. Januar in Kraft treten. So gelten Ehen, welche von gleichgeschlechtlichen Paaren im Ausland geschlossen wurden, ab dem 1. Januar als Ehen und nicht mehr nur als Eingetragene Partnerschaften.

Um die Ehe für alle in der Praxis bei den Standesämtern umzusetzen, sind auch Anpassungen bei drei Verordnungen nötig. Diese hat der Bundesrat am 30. März beschlossen und damit ist alles bereit für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare am 1. Juli

Der Abstimmungskampf zur Ehe für alle hat auch dazu geführt, dass die Hassverbrechen gegen LGBTI+ in diesem Zeitraum stark angestiegen sind, wie Zahlen belegen, welche im Mai veröffentlicht wurden.

Am 1. Juli ist es endlich soweit: Gleichgeschlechtliche Paare können offiziell heiraten. Ab diesem Zeitpunkt können Eingetragene Partnerschaften nicht mehr geschlossen werden. Paare in einer Eingetragenen Partnerschaft können diese in eine Ehe umwandeln.

Mehr Infos zur LGBTI+ Geschichte der Schweiz findest Du auch auf dder Seite von schwulengeschichte.ch.