HINTERGRUND: Besonders Junge und Frauen flüchteten aus Polens LGBT Free Zones
Über 100 Gemeinden und Regionen und damit rund ein Drittel des Landes haben sich zwischen 2019 und 2020 als sogenannte LGBT Free Zone bezeichnet. Damit wollten konservative Politiker:innen unterstreichen, dass ihre Stadt frei von LGBT Ideologie ist. Diese extrem diskriminierende Haltung sorgte damals für grosse Debatten bis nach Brüssel und die Europäische Union begann Gelder für diese Zonen zurückzuhalten.
Dieser Druck aus der EU und die nationalen Gerichte sorgten schliesslich dafür, dass diese Zonen wieder abgeschafft wurden oder werden mussten. Erst im April diesen Jahres legte schliesslich die letzte Gemeinde diesen Status ab. Obwohl die LGBT Free Zones rein symbolischen Charakter hatten und keinerlei gesetzliche Auswirkungen, so veränderten sie Polen trotzdem nachhaltig. Wie, das haben nun Forschende an den Universitäten von Oxford und Wien untersucht.
Für ihre Studie haben sie grosse Datenmengen auf Jobplattformen untersucht um damit einen Zusammenhang zwischen polnischen Stellensuchenden und den LGBT Free Zones herzustellen. Sie haben dabei zwischen 2016 und 2021 67 Millionen Klicks auf Stelleninserate von polnischen Stellensuchenden untersucht um herauszufinden, welche Auswirkungen diese Zonen auf die lokale Bevölkerung hatte. Dabei zeigte sich, dass vor allem Junge aus diesen Gebieten wegziehen wollten.
In ihren Untersuchungen stellten sie fest, dass in Gebieten, welche sich als LGBT Free Zone ausgewiesen haben, die Suche nach Stellen in anderen, queerfreundlicheren Regionen oder gar im Ausland stark angestiegen ist. So nahm die Suche innerhalb Polens um 12 Prozent und für Stellen im Ausland gar um 15 Prozent zu. Dabei zeigte sich laut den Forschenden, dass sich die Suche vor allem auf Gebiete fokussierte, welche LGBTI+ freundlicher waren, oder im Ausland auf Länder, welche die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare kennen.
Wie Jan Gromadzki von der Universität Wien gegenüber Notes from Poland ausführte, sei die Abwanderung besonders in jenen LGBT Free Zones gross gewesen, welche normalerweise nicht für Rechtsaussen gestimmt haben. Gromadzki erklärte dazu, dass man wenig überrascht sei, wenn sich eine Gegend als LGBT Free Zone ausruft, wenn dort üblicherweise Rechtsaussen gewählt wird. Anders verhalte es sich aber, wenn man in einer Gegend wohnt, die normalerweise eher für die Mitte stimmt, und sich dann plötzlich als solche Zone ausrufe. Dies könne ein Schock gerade für junge Menschen sein, so Gromadzki weiter.
Für ihre Untersuchungen konnten sie nur auf die Region der Stellensuchenden zugreifen, jedoch nicht auf das Geschlecht, das Alter oder die sexuelle Orientierung. Da die Bevölkerungsgruppe der 18- bis 27-Jährigen in diesem Zeitraum in den LGBT Free Zones aber um rund 1 Prozent abnahm im Gegensatz zu jenen Regionen, welche sich nicht als solche bezeichnen, ist davon auszugehen, dass vor allem junge Menschen weggezogen sind. Auffällig war zudem auch, dass es sich durch alle Arten von Jobs durchzog, von eher kleinen bis hin zu hohen Einkommen.
Die Autor:innen der Studie erklärten weiter, dass anhand der Daten von Volkszählungen hervorging, dass vor allem junge Frauen die LGBT Free Zones verlassen haben. Dies passe gut ins Bild, denn die queerfeindliche Rhetorik gehe meist auch einher mit konservativen Ansichten betreffend der Rechte für Frauen und der Geschlechterrollen. Dass LGBTI+ feindliche politische Handlungen auch negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben und politische Konsequenzen mit sich bringen, sei bekannt, und wie es sich zeigt, können sie auch die Leben und Entscheidungen von Menschen direkt beeinflussen, wie die Forschenden mit ihrer Studie nun aufzeigen konnten.