FRANKREICH: Pandemie befeuert LGBTI+ Feindlichkeiten innerhalb der Familie

FRANKREICH: Pandemie befeuert LGBTI+ Feindlichkeiten innerhalb der Familie
Grundsätzlich sind die Zahlen an LGBTI+ feindlichen Übergriffen in Frankreich zurückgegangen, jene innerhalb der Familie sind jedoch stark angestiegen. Besonders häufig Opfer wurden junge LGBTI+, welche durch die strikten Pandemiemassnahmen viel mehr Zeit zu Hause verbringen mussten.

Das Jahr 2020 war in jeder Hinsicht aussergewöhnlich, und die strikten Coronamassnahmen mit einscheidenden Ausgangsbeschränkungen schlugen sich auch in den Statistiken der LGBTI+ feindlichen Hassverbrechen nieder. So gingen diese Zahlen in Frankreich erstmals seit 2016, als die Zahlen zum ersten Mal erfasst wurden, etwas zurück, nämlich um 15 Prozent. In absoluten Zahlen waren es im vergangenen Jahr 1590 LGBTI+ feindliche Taten gegenüber 1870 Taten im Jahr 2019. Dem voraus gingen jedoch Jahre mit massiven Zunahmen, so um 36 Prozent im Jahr 2019 und um 33 Prozent in Jahr 2018.

Diese Abnahme zeigt aber laut den LGBTI+ Organisationen nur die halbe Wahrheit. So kam das Nachtleben durch die geschlossenen Clubs und Bars während vielen Monaten praktisch vollständig zum erliegen. Die Gewalt gegen queere Menschen verlagerte sich stattdessen in die Familien. Von Inter-LGBT heisst es etwa, dass das Coming Out für manch einen Jugendlichen ziemlich schlecht verlaufen sei. Normalerweise würden diese jungen Personen Unterstützung von ihrem Umfeld bekommen, etwa an Schulen oder von ihren Freunden, doch während den Lockdowns waren sie ganz auf sich allein gestellt. Manche wurden dabei mit gewalttätigen Reaktionen konfrontiert, als ihre sexuelle Orientierung offenbart wurde. Einige wurden von ihren Familien sogar vor die Türe gestellt. Viele der Opfer von LGBTI+ feindlicher Gewalt würden sie zudem anfragen, damit sie ihnen bei einer Anzeige helfen. Viele Opfer würden dies nicht alleine tun wollen.

Ähnlich klingt es auch von der Trans-Organisation Au-delà du genre. Sie hätten während dem Lockdown viele Anrufe von jungen Menschen erhalten, damit sie zwischen ihnen und ihren Familien zu vermitteln helfen. Es habe auch ein paar Fälle gegeben, wo Kinder von ihren Familien aus dem Haus gejagt wurden. Sie hätten ihnen dann geholfen und sie in Sicherheit gebracht, doch es sei sehr schwierig gewesen.

Wie es sich zeigte, waren 2020 rund 31 Prozent der Fälle Anti-LGBTI+ Beleidigungen. Bei 26 Prozent handelte es sich um nicht-sexuelle, physische Gewalt, wovon die Hälfte derart ernst war, dass das Opfer nicht mehr in der Lage war, zur Arbeit zu gehen. Die Dunkelziffer der Gewalt, Drohungen und Beleidigungen dürfte zudem um ein Vielfaches höher sein, erklärt auch das für die statistische Erfassung zuständige Innenministerium. So haben laut einer zwischen 2012 und 2018 durchgeführten Studie in Frankreich nur gerade 20 Prozent der Opfer von LGBTI+ feindlichen Drohungen und Gewalt die Tat gemeldet. Bei Beschimpfungen waren es sogar nur gerade 5 Prozent.

Frankreich hat ein Netzwerk unter dem Titel Urgence Homophobie aufgebaut, welches unter anderem rechtliche Unterstützung bei LGBTI+ feindlichen Taten bietet. So bekomme man im Jahr rund 2500 Anrufe. Mit Flag! gibt es zudem eine Initiative des Innen- und des Justizministeriums, über welche mittels einer App niederschwellig LGBTI+ feindliche Vorfälle gemeldet werden können. So können dort Gewalttaten, Drohungen oder Beschimpfungen, welche im Alltag passieren, auch anonym gemeldet werden. Sobald die Opfer den Bericht erfasst haben, werden sie an Anlaufstellen und Hilfsangebote weitergeleitet, um sicherzustellen, dass sie, falls gewünscht, Unterstützung erhalten und sich nicht isoliert und alleingelassen fühlen.