UK: Asylbewerber sollen direkt nach Ruanda geschickt werden
Statt, dass man Asylbewerber überhaupt ins Land einreisen lässt, sollen sie bereits an der Grenze abgefangen, in einen Flieger gesetzt und nach Ruanda geflogen werden. Dort werden sie in einer Unterkunft mit dem Namen Hope - Hoffnung - wohnen, eine Ausbildung erhalten und verpflegt werden. Ihre Asylanträge sollen auch dort geprüft werden, doch einen Weg zurück nach Europa soll es damit für sie nicht geben. Sie haben dann die Möglichkeit entweder in Ruanda zu bleiben, oder in ihre angestammte Heimat zurückzukehren, wie auch das Aussenministerium von Ruanda bestätigt.
Was nach einem absurden Plan klingt, will die Regierung von Boris Johnson tatsächlich so für Grossbritannien umsetzen und auch vollumfänglich finanzieren. Dazu haben sie mit Ruanda eine sogenannte Migrationspartnerschaft abgeschlossen. Ruanda erhält damit finanzielle Unterstützung, und Grossbritannien braucht sich nicht um die Asylbewerber zu kümmern, und schafft sie so weit wie möglich weg - aus den Augen, aus dem Sinn quasi. Grossbritannien wird einzig ein paar besonders vulnerable Flüchtlinge aufnehmen, welche sich derzeit im zentralafrikanischen Land aufhalten, doch Tausende weitere werden von den britischen Inseln dorthin abgeschoben.
Die britische Regierung hat das Projekt als Weltpremiere angepriesen und man wolle damit auch den gefährlichen und brutalen Schleusern das Handwerk legen. Die bisherigen Massnahmen hätten versagt, erklärte etwa auch die britische Innenministerin Priti Patel, und deshalb wolle man nun neue Wege gehen. Von einem starken Mittel der Abschreckung spricht dabei auch Premierminister Boris Johnson. Dass Ruanda da eingewilligt hat, liegt auch daran, dass sich das afrikanische Land gerne auf der Weltbühne präsentiert und ein verlässlicher Partner für Europa sein will.
Die Antwort auf diese neue Vorgehensweise kam jedoch postwendend: Nicht weniger als 160 Organisationen haben innert kürzester Zeit gemeinsam einen offenen Brief unterzeichnet, mit dem sie diesen Plan nicht nur ablehnen, sondern auch aufs schärfste verurteilen. Er sei nicht nur beschämend grausam, sondern, laut Amnesty International auch „der Höhepunkt der Verantwortungslosigkeit“. Auch wird der Plan als populistische Massnahme bezeichnet, denn die Argumente, welche die Regierung liefert, lassen sich nicht mit den statistisch erhobenen Zahlen belegen.
Neben der Unmenschlichkeit dieses geplanten Gesetzes merken zahlreiche Experten nämlich auch an, dass dieses Vorgehen der Regierung vor den Gerichten wohl kaum Bestand haben dürfte, denn Grossbritannien würde damit auch internationales Recht auszuhebeln versuchen. Zudem ist es ein Fakt, dass die Mehrheit der Asylbewerber, welche im vergangenen Jahr einen Antrag im Land gestellt haben, auch tatsächlich als Asylberechtigt angesehen wurden und bleiben durften. Somit fällt das Argument der Bekämpfung der illegalen Migranten dahin und darf als Stimmungsmache abgetan werden.
Auch LGBTI+ Organisationen schlagen Alarm und verweisen auf die schlechte Menschenrechtslage für queere Personen in Ruanda. Zwar sind gleichgeschlechtliche Aktivitäten nicht per Gesetz verboten, sie aber auszuleben ist praktisch unmöglich, respektive, alles findet im Versteckten statt. Auch gibt es keinen expliziten Schutz für LGBTI+, sondern nur ein sehr allgemein gehaltenes Anti-Diskriminierungsgesetz. Den meisten queeren Menschen bleibt somit nur die Möglichkeit, ihre sexuelle Orientierung oder ihre Geschlechtsidentität zu verbergen, wenn sie nicht riskieren wollen, verprügelt zu werden, ihren Job zu verlieren oder aus ihrem Zuhause zu fliegen.
Auch kommt es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, und dafür kann schon ein Kuss in einer Bar reichen, wie LGBTI+ Organisationen berichten. Alleine im vergangenen Jahr sollen rund ein Dutzend queere Menschen verhaftet worden sein, etwa, da sie die Werte Ruandas nicht vertreten würden. Daneben verschwinden LGBTI+ auch immer wieder unauffindbar, oder werden Opfer von Selbstjustiz, was nicht selten in Mord endet.
Dies sind weitere Gründe, weshalb gerade auch queere Organisationen die Pläne der Regierung vehement ablehnen. Selbst das britische Aussenministerium warnt queere Menschen vor Aufenthalten in Ruanda. Vize-Justizminister Tom Pursglove, welcher diese neue Migrationspartnerschaft in Grossbritannien verteidigen soll, hatte Mühe damit, gegen diese Tatsache zu argumentieren. Er meinte nur, dass seit der Ankündigung dieses geplanten Vorgehens viele haltlose Stereotypen bedient worden seien. Es sei jedoch ein Fakt, dass Ruanda in den vergangenen drei Jahrzehnten enorme Fortschritte erzielt habe. So habe das Land ein Parlament mit einer Frauen-Mehrheit und es habe ein Anti-Diskriminierungsgesetz eingeführt, welches quer durch die gesamte Verfassung gelte. Weiter versuchte er zu unterstreichen, dass Ruanda eine lange Geschichte als sicheres Land für Asylsuchende habe.
Obwohl die britische Innenministerin Priti Patel extra in die ruandische Hauptstadt Kigali reiste um diese Migrationspartnerschaft vor Ort zu unterzeichnen, ist es noch alles andere als sicher, dass dieses Gesetz tatsächlich in Kraft treten kann. Neben den juristischen Unsicherheiten wird auch das Parlament noch einmal darüber befinden. Selbst Boris Johnson ist sich dabei seines Planes nicht ganz sicher, denn er hat bereits erklärt, dass er erwarte, dass es noch einige juristische Herausforderungen diesbezüglich geben werde.