HINTERGRUND: Chinas Queer Community wurde vollständig in den Untergrund gedrängt
Eine eigentliche Pride mit Demonstrationsumzug war ohnehin undenkbar in China, denn wer sich politisch allzu weit aus dem Fenster lehnt, dem drohen Verfolgung und empfindliche Strafen. Die Organisation ShanghaiPride als grösste im Land, organisierte zwar eine Pride, doch diese beschränkte sich auf Partys, Filmvorführungen, einen Community Run durch die Stadt und auf verschiedenste andere vor allem kulturelle Veranstaltungen. Doch selbst dies schien den Behörden schon zu weit zu gehen und plötzlich war damit Schluss, trotz grossem Rückhalt in der Bevölkerung.
2021 überraschte die Meldung von ShanghaiPride, dass man sämtliche Aktivitäten einstellen werde. Gründe wurden damals keine genannt, doch wenn man das politische Umfeld betrachtet, dann liegt es auf der Hand: Der Druck durch die Behörden scheint zu gross geworden zu sein, so dass ein Ende der Aktivitäten die einzige Möglichkeit blieb, denn sich den Behörden zu widersetzen kann in China schnell gefährlich werden.
Im selben Jahr setzte die Regierung auch schärfere Zensurvorschriften in den Sozialen Medien konsequent um. Dutzende von LGBTI+ Gruppen auf der am weitesten verbreiteten Messenger-App in China, WeChat, waren plötzlich verschwunden. Auch jene der grossen Universitäten des Landes. Ein weiteres Zeichen dafür, dass die Regierung und die Behörden ihre Bemühungen gegen die Queer Community verschärfen und immer engmaschiger zu kontrollieren beginnen.
Kurz darauf wurde zudem eine Organisation geschlossen, welche LGBTI+ mit ihren Anliegen vor Gericht vertrat und sich in deren Namen für die Anliegen queerer Menschen einsetzte. Dabei soll es sogar zu Verhaftungen gekommen sein. Eine Bedingung für die Freilassung des Leiters soll gewesen sein, dass die Organisation ihre Dienste einstellen muss und sich auflöst.
Dass es für queere Organisationen immer schwieriger wird, bestätigte auch der Leiter einer anderen Organisation, der anonym bleiben will, gegenüber der BBC. Er hat sich mittlerweile ins Ausland abgesetzt, da der Preis für das Engagement zu hoch geworden sei. Veranstaltende seien verhaftet worden, und ihre Freunde und Familien hätten Besuch von der Polizei erhalten und seien befragt worden, erklärte er weiter. Dies führe zu einem enormen Druck was die psychische Gesundheit betreffe.
Noch vor der Pandemie hatte es die LGBTI+ Community grossartig, und man habe sogar ein paar Gerichtsfälle gewinnen können, doch seither ist es vorbei, so der LGBTI+ Aktivist. Die Kommunistische Partei hat damals während dem Volkskongress sogar öffentlich anerkannt, dass die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare eines jener Anliegen war, welches am häufigsten an sie herangetragen wurde. In den vergangenen wenigen Jahren gab es aber immer weniger Möglichkeiten um für die Rechte queerer Menschen Einfluss zu nehmen, da die Regierung immer stärker gegen Menschenrechtsbewegungen vorging - vor allem auch im Internet und in den Sozialen Medien.
Im Mai war nun auch das Beijing LGBT Center an der Reihe, eine der grössten noch existierenden queeren Organisationen im Land. Der Druck durch Kräfte, welche ausserhalb ihrer Kontrolle liegen, sei zu gross geworden, hiess es als Erklärung. Darauf stellte auch das Beijing LGBT Center sämtliche Aktivitäten ein und pausiert seither.
Dass sich etwas geändert hat in Chinas Umgang mit der LGBTI+ Community aber auch in der Sicht auf die Gesellschaft im Allgemeinen, zeigt sich schon in der Rhetorik der Regierung: Plötzlich zeigt sich das Bildungsministerium besorgt, dass die jungen chinesischen Männer „zu feminin“ seien. Dies führte zu mitunter ziemlich ungewöhnlichen Anordnungen und Richtlinien.
Die chinsische Zensurbehörde hat den Fernsehsendern auferlegt, ein männlicheres Image bei den Männern zu promoten. Männer, welche im Rampenlicht stehen und von den Jugendlichen verehrt werden, welche aber Makeup tragen, wurden öffentlich dafür kritisiert, als "Sissy-Männer" bezeichnet und sogar aus dem TV verbannt. Bei anderen Sendung wurden die Ohrringe bei Männern im Fernsehen nur noch verpixelt gezeigt.
Weiter wurden Schulen plötzlich aufgefordert ihren Sportunterricht zu intensivieren, und verstärkt auf die Rekrutierung von neuen Lehrern zu achten. Die Männlichkeit der Schüler solle gefördert werden, indem "energisch Fussball und ähnliche Sportarten propagiert" werden. Dazu wurden auch pensionierte Sportler und andere Personen mit Sporterfahrungen als Lehrer hinzuzogen.
Diese Beispiele zeigen klar, dass Diversität und Inklusion in China keinen Platz (mehr) haben. Gleichschaltung scheint vielmehr das neue Ziel und ja nichts zulassen, was von der Wunschnorm abweicht. Tendenzen wie wir sie längst auch aus anderen Staaten kennen, wie etwa der Türkei, Russland oder einigen Ländern in Afrika.