SCHWEIZ: Am 7. März wird über das Handelsabkommen mit Indonesien abgestimmt
Es war am 20. Dezember 2019 als das Schweizer Parlament dem Freihandelsabkommen mit Indonesien zugestimmt hat. Darauf wurde das Referendum gegen diesen Wirtschaftsvertrag beschlossen, und so hat am 7. März die Schweizer Bevölkerung das letzte Wort. Das Nein-Komitee hat ihren Abstimmungskampf nun begonnen und konzentriert sich dabei in erster Linie auf das Palmöl. Die Produktion dieses Rohstoffs steht in Verbindung mit massiver Abholzung, Brandrodung, Kinder- und Zwangsarbeit, mit dem Einsatz von Pestiziden und der Vertreibung von tausenden Kleinbäuer*innen und Indigener.
Neben diesem äusserst wichtigen Punkt, sollte sich die Schweizer Bevölkerung am 7. März aber auch die Frage stellen, ob es ein Freihandelsabkommen mit einem Land abschliessen will, welches derzeit sein Strafgesetz revidiert und dabei kurz davor steht, gleichgeschlechtliche Aktivitäten neu zu kriminalisieren. Homosexualität ist derzeit in Indonesien, abgesehen von der Provinz Aceh, nicht strafbar, doch zahlreiche Politiker wollen dies ändern. Damit wäre Indonesien eines von sehr wenigen Ländern weltweit, welches tatsächlich einen gewaltigen Rückschritt macht und gleichgeschlechtliche Aktivitäten neu für illegal erklärt. Über das neue Strafgesetz hätte eigentlich bereits im September 2019 abgestimmt werden sollen, doch nach Protesten von Studenten wurde die Entscheidung auf unbestimmte Zeit verschoben.
Im Februar 2020 ist nun aber ein neuer Gesetzesentwurf aufgetaucht, welcher unter anderem ebenfalls zum Ziel hat, Homosexualität zu verbieten. Das Gesetz soll "der Stabilisierung der Familie" dienen, heisst es, und demnach sollen sexuelle Abweichungen, sprich das Erreichen von sexueller Befriedigung über ungewöhnliche und unvernünftige Wege, strafbar werden. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International verurteilten das Gesetz bereits, doch es hat die Unterstützung von mindestens vier Parteien.
Die LGBTI+ Community im Land ist bereits jetzt massiv unter Druck: Razzien, Verhaftungen und Diskriminierungen gehören für queere Menschen zur Tagesordnung, und dies bereits im ganzen Land, selbst auf der bekannten Ferieninsel Bali. Befeuert wird dies von der extrem LGBTI+ feindlichen Rhetorik von Politikern, welche den Hass gegen Queers weiter schüren. Erst in November wurde ein schwules Paar in Aceh von einer wütenden Menschenmenge angegriffen und auf den Polizeiposten geschleppt - ihnen drohen nun 100 Peitschenhiebe, öffentlich vollzogen. Eltern protestierten über die Festtage vor einer Schule und forderten die Entlassung des schwulen Schuldirektors. Und im September wurden in der Hauptstadt Jakarta während einer Razzia neun Personen verhaftet, weil sie angeblich an einer Gay Party feierten. Die Verhafteten wurden darauf an einer Pressekonferenz präsentiert (Video unten) um sie öffentlich zu demütigen. Ihnen sollen nun bis zu 15 Jahre Haft drohen.
In gewissen Städten wurden bereits Task Forces gegründet, welche sich explizit auf die Überwachung von LGBTI+ kümmern. In Anderen haben Bürgermeister gar das Militär zu Hilfe gerufen, um queere Personen zu verfolgen. Das brutale Vorgehen gegen die Queer Community hat auch enorme Auswirkungen auf HIV/Aids in der Region. Organisationen ist es kaum mehr möglich, Präventionsarbeit gerade in Bezug auf Männer, welche Sex mit Männern haben, zu leisten, da auch hier die Polizei sofort eingreift. Diese Homophobie befeuert den auch die Ausbreitung von HIV/ Aids im Land.
Die Liste an LGBTI+ Feindlichkeiten in Indonesien ist schier unendlich und beinahe täglich kommen neue Vorfälle hinzu. Eine Verbesserung für die LGBTI+ Community ist zudem nicht in Sicht, eher das Gegenteil, denn die Kriminalisierung von gleichgeschlechtlichen Aktivitäten durch das Strafgesetz steht nach wie vor im Raum. Am 7. März wird die Schweiz nun über das Freihandelsabkommen mit Indonesien abstimmen, und dabei muss es der LGBTI+ Community gelingen, dass auch diese Punkte öffentlich diskutiert werden. Damit soll nicht zuletzt auch der Druck auf die Schweizer Politiker*innen steigen, damit auch diese Themen bei künftigen Verhandlungen und Treffen mit Indonesien angesprochen werden, respektive, dass bei LGBTI+ Feindlichkeiten entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Denn schlussendlich muss die Schweiz mit ihrer humanitären Tradition im März auch darüber befinden, was sie stärker gewichten will: Die Menschenrechte oder die wirtschaftlichen Interessen.
Video der Pressekonferenz in Jakarta vom September 2020, bei welcher die neun verhafteten, angeblich schwulen Männer öffentlich zur Schau gestellt wurden: