HINTERGRUND: Zahlreiche Zwischenfälle an Pride Veranstaltungen
Für die eigenen Rechte einzustehen und zu demonstrieren gehört zu den Grundrechten, doch diese sind derzeit für viele Menschen, insbesondere in der LGBTI+ Community, bedroht. In diesem Jahr ist es zu zahlreichen Zwischenfällen an Pride-Veranstaltungen gekommen, und dies aus den verschiedensten Gründen.
Dass die Polizei an der Zurich Pride während der Demonstration mit Maschinengewehren präsent war, fiel auf. Im Nachhinein wurde bekanntgegeben, dass vor der Pride zwei Jugendliche verhaftet wurden, welche nicht nur Drohungen gegen die Zurich Pride in den Sozialen Medien veröffentlichten, sondern sich auf konkret über Anschläge informierten.
Damit wurde die Warnung, welche das FBI bereits im Mai für alle Pride-Veranstaltungen in den USA, aber auch weltweit, veröffentlicht hat, auch in der Schweiz spürbar. Das FBI mahnte damals nämlich zur Wachsamkeit während öffentlichen, queeren Veranstaltungen, da es offenbar im Internet und in den Sozialen Medien vermehrte Aktivitäten von radikalisierten Gruppierungen gegen solche Anlässe, insbesondere gegen Prides, gab.
Doch auch andere Ereignisse machten es verschiedenen Pride-Events schwierig: Dass die Istanbul Pride auch in diesem Jahr wieder von den Behörden verboten wurde, überraschte leider nicht. Seit 2016 wurden sämtliche Istanbul Prides verboten, obwohl zuvor jeweils Zehntausende daran teilgenommen haben. Wer trotzdem von seinem Recht Gebrauch machen will und zur Demonstration erscheint, der erlebt teilweise massive Polizeigewalt und wird verhaftet. Auch in diesem Jahr riegelte die Polizei ganze Stadtviertel ab, sperrte Metrostationen und verhaftete schliesslich auch Demonstrierende.
Ebenfalls zu Gewalt kam es bei der Pride in Santiago, der Hauptstadt von Chile: Eine Gruppe von vermummten Personen durchbrach eine Sicherheitsabschrankung und griff mehrere Pride-Teilnehmende an. Sie schlagen mit Fäusten und traten auch auf sie ein. Weiter warfen sie zudem Steine und Farbe auf die Wagen und zerstörten die Scheinwerfer der Fahrzeuge. Die Veranstaltenden haben nun Bilder der Angreifer veröffentlicht um auf diese Weise herauszufinden, wer die Täter waren, um Anzeige gegen sie einreichen zu können.
Die Pride in Toronto musste in diesem Jahr abgebrochen werden: Pro-Palästina-Demonstrant:innen blockierten die Strecke, und nachdem während einer Stunde verhandelt wurde, entschieden sich die Veranstaltenden, die Pride ganz abzubrechen. Die Toronto Pride ist die grösste des Landes, wird jeweils von mehr als 100‘000 Queers und ihren Allys besucht und auch der kanadische Premierminister Justin Trudeau lief bereits mehrfach an der Parade durch die Innenstadt mit.
In London wiederum haben die KeshetUK und die West London Synagogue als grösste jüdische LGBTI+ Charityorganisationen des Landes kurz vor der London Pride ihre Teilnahme abgesagt. Es sei ein sehr herausforderndes und schwieriges Jahr für so viele Jüd:innen in Grossbritannien, darunter auch für LGBTI+ Jüd:innen. Sie würden sich daher nicht mehr so sicher wie in den vergangenen Jahren fühlen, heisst es in der Mitteilung weiter. Man verstehe zwar, wie wichtig die Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit sei, doch man habe sich auch die Bedenken von Mitgliedern in Bezug auf die Sicherheit angehört. Mit diesem Hintergrund habe man sich entschieden, statt an der Pride teilzunehmen, ein eigenes Pride Picnic zu veranstalten. Im vergangenen Jahr haben mit diesen beiden Organisationen jeweils rund 200 Jüd:innen an der London Pride teilgenommen.
Einige Stunden nach der Pride in Chicago kam es in der Stadt zu massiven Ausschreitungen, in deren Folge über 50 Personen in einem Stadtviertel nördlich des Zentrums festgenommen wurden. Der Zusammenhang mit der Pride ist nicht ganz klar, und so erklärten Zeugen, dass eine Feier auf der Strasse ausgeartet sei, und dass es sich aber nicht um Pride-Teilnehmende handelte. Bereits Monate vor der Pride lagen sich die Veranstaltenden und die Behörden in den Haaren, da die Stadt nicht nur die Zahl der Teilnehmenden Wagen und Gruppen um rund einen Drittel reduziert hat, sondern auch die Route um einige Häuserblocks kürzen wollte.
Auch in Seoul hatten die Veranstaltenden der „Pride“ mit den Behörden zu kämpfen: Die Stadt organisierte nämlich kurzerhand während dem gesamten Sommer eine Openair Bibliothek um damit das Seoul Queer Culture Festival auf der Seoul Plaza, dem grossen Platz vor dem Rathaus der Millionenmetropole, zu verhindern. Obwohl das Festival mit seiner Pride bereits seit Jahren stets am gleichen Wochenende dort stattfand, wurde bereits im vergangenen Jahr plötzlich einem christlichen Jugendkonzert der Vorzug gegeben. Das Seoul Queer Culture Festival fand in diesem Jahr keine neue Bleibe, da auch andere Veranstaltungsorte nicht bewilligt wurden. Die Community trug ihren Frust daher auf die Strasse, und an der Pride-Demonstration, welche nur eine einfache Bewilligung der Polizei benötigt hat, nahmen schliesslich rekordmässige 150‘000 Menschen teil.