HINTERGRUND: Neuer Bericht zur weltweiten Situation queerer Menschen
Die International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association, kurz ILGA World, ist eine Vereinigung, welche mehr als 2000 LGBTI+ Organisationen aus über 170 Ländern unter einem Dach vereint. Entsprechend breit ist die Datenlage, auf welche ILGA zugreifen kann. Erstmals veröffentlichte die Vereinigung nun unter dem Titel Law Of Us einen neuen Bericht, der die weltweite Situation queerer Menschen beleuchtet und zusammenfasst. Dabei wurde der Zeitraum von Januar 2023 bis April 2024 betrachtet und es wurden alle 193 UN-Mitgliedsstaaten einbezogen, sowie mehrere Staaten, welche nicht Teil der Vereinten Nationen sind.
Obwohl mit Dominica, Mauritius und Singapur drei UN-Mitgliedsstaaten, sowie mit den Cook Islands ein Nichtmitglied, gleichgeschlechtliche Aktivitäten seit 2023 legalisiert haben, so sind diese Handlungen trotzdem noch immer in rund einem Drittel aller Staaten weltweit verboten. Anders gesagt: Noch immer gibt es 60 Staaten, welche sexuelle Aktivitäten unter Personen des gleichen Geschlechts kriminalisieren, und hinzu kommen noch zwei weitere, welche dies de-facto ebenfalls tun. Der Irak hat zudem das bereits bestehende "Quasi-Verbot" nun in seinem Strafgesetz fest schrieb.
Hervorzuheben ist zudem Uganda, wo die Todesstrafe für bestimmte Formen von gleichgeschlechtlichen Handlungen eingeführt wurde. Damit gehört Uganda mit sechs weiteren UN-Staaten zu jenen Ländern, welche die Todesstrafe für Homosexualität kennen, nämlich Brunei, Iran, Jemen, Mauretanien, in sechs Bundesstaaten in Nigeria und Saudi Arabien. Hinzu kommen noch Afghanistan, Katar, Pakistan, Somalia sowie die Vereinigten Arabischen Emirate, wo die Rechtslage betreffend der Todesstrafe unklar ist.
Die Ehe für alle wiederum gilt derzeit in 35 UN-Mitgliedsstaaten sowie in Taiwan. Alleine in den vergangenen 16 Monaten kamen vier Länder dazu, nämlich Andorra, Estland, Griechenland und Slowenien, also alle in Europa. Weiter wurde die Ehe durch Gerichte auch in Nepal geöffnet, dort fehlt allerdings noch die gesetzliche Grundlage, welche derzeit ausgearbeitet wird. Andere Staaten anerkennen gleichgeschlechtliche Paare mittels Partnerschaftsgesetz, so neu auch in Bolivien und Lettland, sowie in gewissen Gemeinden und Präfekturen in Japan. Das Recht auf Adoption gibt es derzeit für queere Paare in 36 UN-Mitgliedsstaaten, in einem weiteren Land ist zudem erst die Stiefkindadoption möglich.
Geht es um den Schutz der LGBTI+ Community, so kennen bislang 16 Staaten der Vereinten Nationen ein Verbot von Konversionsmassnahmen. In sechs Ländern gibt es zwar kein nationales Verbot, dafür in einzelnen Regionen oder Städten. Sieben weitere Ländern haben kein explizites Verbot, aber diese feindlichen Praktiken sind durch andere Gesetze verboten. Hinzukommen 77 Staaten, welche Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausdrücklich vor Diskriminierung schützen, aufgrund der Geschlechtsidentität sind es 46 Staaten, aufgrund des Geschlechtsausdrucks 20 und aufgrund der Geschlechtsmerkmale 18.
Geht es um das dritte Geschlecht, so sind es bislang 18 Staaten in den Vereinten Nationen, welche in den offiziellen Dokumenten einen solchen Eintrag kennen. Die rechtliche Anerkennung des Geschlechts auf Basis der Selbstbestimmung ist aktuell in 17 UN-Staaten möglich. In Bezug auf Intersexualität verbieten zudem bislang 9 Länder nicht lebensnotwenige medizinische Eingriffe an inter Kindern. In zwei Staaten haben verschiedene Regionen oder Gemeinden solche Regelungen, nicht aber das ganze Land.
Auch bezüglich Meinungsfreiheit gibt es zwischen den einzelnen UN-Mitgliedsstaaten riesige Unterschiede: So sind es mindestens 59 Staaten, welche Gesetze oder Vorschriften kennen, welche in irgendeiner Form die Meiungsfreiheit rund um das Thema sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität einschränken. Davon kennen 19 Länder ein solches Gesetz, welches sich auf LGBTI+ Themen im Bereich der Bildung fokussiert und 30 Staaten zensurieren damit Medien. Auch betreffend der Versammlungsfreiheit kennen viele Staaten Einschränkungen: So haben in mindestens 59 Länder queere Menschen rechtlich gesehen Schwierigkeiten, Organisationen offiziell staatlich anerkennen zu lassen.
Wie die Autor:innen des Berichts schreiben, habe man in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Fortschritte erzielen können. Gleichzeitig sei man aber auch überall auf heftigen Widerstand gestossen und habe auch einige Rückschläge hinnehmen müssen. So seien zudem in mindestens fünf UN-Mitgliedsstaaten neue, regressive Gesetze angekündigt, und in vier Staaten wurden Debatten um eine Verschärfung der Kriminalisierung begonnen. Sorgen bereitet ILGA derzeit insbesondere auch die Anti-Gender-Bewegung, welche weltweit an Fahrt gewinnt und immer extremere Formen annimmt.